Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
hatte er ungehinderten Zugang zu Rüttgen.
»Was wir nicht haben, sind die Tatwaffen. Kein Messer, kein Drosselungswerkzeug.« Senior wies auf die Tatortfotos, die vor ihm lagen, nachdem Fran ihr Telefonat beendet hatte.
»Aber wir haben die Liste mit den restlichen Mitgliedern der Church of XXXL . Und einen Plan des Nordfriedhofs.« Fran freute sich über die umfangreichen Unterlagen, Hunderte von Dokumenten, die sie in Rüttgens Wohnung gefunden hatten und die von einem Dutzend Kollegen ausgewertet wurden. Darunter gab es eine Liste mit allen Messen, die sie bereits zelebriert hatten, und allen, die er geplant hatte. Die Church of XXXL war in München gewesen, eine Art Betriebsausflug, vielleicht auch eine Übung. Fran war sich sicher, dass es diese schwarze Messe gewesen war, die der Schüler heimlich gefilmt hatte. Die Münchner Kollegen würden sich über die Ermittlungsergebnisse sicher freuen.
Lars Rüttgen glaubte, dass er Luzifer mit der Beschwörung der Henochischen Schlüssel als mathematische Formeln aufdie Erde locken konnte, und er hatte einen präzisen Zeitplan, der jetzt allerdings dahin war. Und er hatte Pläne gehabt für Johanna Magold.
Seniors Tischtelefon läutete. Er drückte einen Knopf, damit Fran mithören konnte.
»Jana Wolff, Adeptin der vierten Stufe der Church of XXXL , samt Eltern und Anwalt sind da, soll ich sie raufschicken?«
»Schick sie in Vernehmungsraum drei, mit Wachbegleitung. Wir kommen runter.« Senior unterbrach die Verbindung.
Sie standen auf, Fran taumelte einen Moment, dumpfer Kopfschmerz pochte hinter ihrer Stirn. Innerhalb von zwei Tagen hatte sie ihren Vater geohrfeigt und ihrem Ex fast den Arm gebrochen. Sie hatte kaum geschlafen. Kein Wunder also, dass sie sich nicht taufrisch fühlte. Aber die Schmerzen im Unterleib waren nicht mehr aufgetaucht. Das war es wert gewesen. Und sie musste ständig an Albert Neusen denken. Vielleicht nahm sie seine Einladung nach Hamburg an, wenn der Fall gelöst war.
Senior musterte sie. »Soll ich alleine …?«
Sie winkte ab. Sie musste diese Jana Wolff erleben, musste sie riechen, sie spüren. Allein die Tatsache, dass sie mit Eltern und Anwalt anrückte, ließ auf ein riesengroßes schlechtes Gewissen schließen, so wie es Fran schon vermutet hatte.
»Nein«, sagte sie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich würde sie gerne …«
Senior schmunzelte. »Ist in Ordnung, du kannst die Vernehmung leiten, schließlich ist sie ja einer von deinen Satansbraten.«
»Danke«, sagte Fran.
»Immer gerne«, antwortete Senior.
Für diesmal ließ sie ihm das letzte Wort, und er quittierte es mit einem milden Lächeln.
Vernehmungsraum drei war wie alle anderen Vernehmungsräume mit zwei Videokameras und Richtmikrofonen ausgestattet, die sowohl den Zeugen oder den Beschuldigten als auch die Beamten aufnahmen. Opfer vernahmen sie in der Regel in einem anderen Raum, der eher wie ein Wohnzimmer eingerichtet war. Senior hatte ihn mit Spendengeldern und einem Zuschuss des Weißen Rings eingerichtet.
Fran ging auf die Gruppe zu, lächelte freundlich. Jana Wolff war die junge Frau mit der Brille und dem verschlossenen Blick. Rechts von ihr stand ihr Vater, links die Mutter, die Gesichtszüge waren unverkennbar. Neben dem Vater stand Olaf Weihrauch, der Rechtsanwalt, der sich die Krawatte zurechtrückte. Er musste um die vierzig Jahre alt sein.
Fran hielt bei der Begrüßung eine klare Reihenfolge ein: Tochter, Mutter, Vater, Anwalt. Senior hielt es genauso, die Begrüßungs- und Vorstellungsrunde war schnell erledigt.
Fran bat alle in den Vernehmungsraum, es mussten noch zwei Stühle beschafft werden, dann nahmen sie Platz. Sie postierten zwei Kollegen von der Schutzpolizei hinter Jana Wolff und ihren Eltern.
»Ich danke Ihnen, dass Sie Zeit haben«, begann Senior.
Bevor er weitersprechen konnte, meldete sich Olaf Weihrauch. »Ehe wir beginnen, möchte ich eine Einlassung meiner Mandantin vortragen.«
Senior nickte, und Fran wettete eins zu hundert, dass er einen Deal vorschlagen wollte. Es war die Church of XXXL gewesen, die die schwarze Messe auf dem Nordfriedhof gefeiert hatte, das ging glasklar aus den Unterlagen hervor, die sie bei Rüttgen gefunden hatten. Und noch einiges mehr hatte er fein säuberlich vermerkt, hatte Dossiers über die Mitglieder seiner kleinen Gemeinde angelegt. Jana Wolff studierte Jura. Eine Verurteilung wäre das Aus ihrer Karriere gewesen.
Weihrauch zog einen Hefter aus seiner
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