Der Schmetterlingsbaum
für seine Tiere errichtet. Was hätte er denn sonst tun sollen, pflegte mein Onkel an dieser Stelle zu sagen. Hier war alles völlig verwildert, völlig überwuchert, nichts als Bäume und Ranken und Unterholz. Sehr sumpfig, sagte er, die Tiere versanken bis zu den Fesseln im Schlamm. Er musste schnell was auf die Beine stellen, sonst hätte niemand, weder Tier noch Mensch, den Winter überlebt. Die Treue zum Königshaus hatte ihm bisher nichts als Mühe und Kummer und tote Kinder eingebracht. Die Tiere wollte er jetzt nicht auch noch verlieren.
Die Zeit verging, ein halbwegs geräumiges Blockhaus war gebaut, und der Stall wurde allmählich eng. Inzwischen hatte mein Ururgroßvater vier starke Söhne, die ihm halfen, Land zu roden und lebenswichtige Nahrungsmittel anzubauen. Er hatte auch Pferd und Wagen und konnte sein Getreide zur nächstgelegenen Schrotmühle fahren, gute zehn Meilen entfernt. Eine schreckliche Fahrt, behauptete mein Onkel, der Weg nichts als Schlamm und Felsbrocken. Ein Schlitten auf zugefrorenen Winterwegen hätte die Reise wesentlich erleichtert, aber im Winter ist natürlich kein Getreide zu mahlen, also musste man mit dem Schlamm und den Felsbrocken der wärmeren Jahreszeiten fertig werden. Vieles wurde auf dem Wasser transportiert, über den großen See, den mein Vorfahr ja praktisch vor der Tür hatte, die Schrotmühle aber stand tief im Landesinneren an einem rasch fließenden Wildbach, wie es sich gehörte. Getreide hatten sie viel, denn er und seine Söhne arbeiteten fleißig, und folglich hatten sie auch viel Stroh, und es dauerte nicht lang, bis sich der Alte nach einer echten Scheune zu sehnen begann, in der er das alles lagern konnte, einer Scheune aus behauenen Balken und gesägten Brettern. Hätte er sich das Bauholz leisten können, hätte er weitere schwierige Fahrten zu einer Sägemühle auf sich nehmen müssen, die ebenfalls im Landesinneren, an einem anderen rasch fließenden Bach stand.
Sein Nachbar war der Sohn eines ursprünglich oberkanadischen Siedlers; die Familie lebte seit zwei Generationen in der Gegend. Ihre Feldfrüchte waren gesünder, ihr Haus größer, und sie hatten, sagte mein Onkel, ein »echtes Prachtstück« von einer Scheune, errichtet auf einem Fundament aus Feldsteinen, die in den vergangenen dreißig Jahren von den Äckern geklaubt worden waren. Der Urur blickte über die zwei Felder, die sie voneinander trennten, auf die Scheune des Nachbarn, fragte sich, ob er noch zu Lebzeiten eine eigene Scheune besitzen werde, und kam betrübt zu dem Schluss, das sei ihm wohl nicht mehr beschieden. An manchen Tagen, wenn er sich von der endlosen Arbeit, die seine wachen Stunden ausfüllte, einmal kurz freinehmen konnte, ging er über die zwei Felder zu seinem Nachbarn und unterhielt sich mit ihm über den Scheunenbau und den Erwerb gesägter Bretter, und bei einem dieser Besuche verkündete der Nachbar, er werde verkaufen und in dem Dorf zwei Meilen im Norden, das allmählich zu wachsen anfing, allerdings ziemlich ungleichmäßig, ein Geschäft für Geschirre und Zaumzeug eröffnen.
Urur kaufte die Scheune, erzählte mein Onkel, im Tausch gegen die zwei guten Pferde, die er von Geburt an großgezogen hatte, und verärgerte damit seine Söhne, die jetzt allein mit den Eltern dieser beiden Jungtiere auskommen mussten. Und da war noch ein Problem: Der Vorfahr hatte nicht den Boden gekauft, auf dem die Scheune stand, sondern plante sie zu verlegen und auf ein Fundament aus eigenen Feldsteinen zu stellen, die auf seinem Land so zahlreich waren.
Es folgte weitere mühselige Arbeit. Dafür wurde, denke ich, ein schlittenähnliches Gefährt benutzt, das sich »Steinboot« nannte. Und als das Fundament fertig war, musste das Gefüge aus Brettern und Balken auf Rundhölzern und mithilfe einer Ankerwinde von den Pferden über die zwei Felder gezogen werden. Es wurde ein Spektakel; ein Anblick wie betrunkene Architektur: In den Senken und Mulden der Wiese geriet die Scheune gefährlich ins Schlingern, oder sie verkeilte sich in einer Fahrspur und verweigerte stur jede weitere Fortbewegung. Es hätte schlimmer kommen können: Das Projekt wurde Ende August unternommen, der Boden war so trocken, wie er nur sein konnte, und am Ende erreichte die Scheune tatsächlich ihr Ziel. Dann brauchte es natürlich mächtige Winden, um das Gebäude auf sein neues Fundament zu hieven, und es musste ein Trog Mörtel angerührt werden, um es einzumauern, und währenddessen schleppten die
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