Der Schmetterlingsthron
der Küche.
Jorian blickte ihr lächelnd nach. Worüber ärgert sie sich? überlegte er. Ist es das, was ich vermute? Er aß sich satt, trank den Krug leer und legte sich im Wohnzimmer auf einem Bärenfell zum Schlafen nieder.
Das leise Geräusch der aufgehenden Tür weckte Jorian. Als der Waffenschmied das Haus betrat, richtete er sich auf und machte eine Verbeugung.
»Heil, Meister Rhithos!« sagte er. »Euer Diener ist untertänigst dankbar für Eure Gastfreundschaft.«
Der Schmied war kleiner als Vanora, die nun hinter ihm eintrat, doch er hatte die breitesten Schultern, die Jorian je gesehen hatte. Die riesige Hand am Ende seines langen Arms hatte einen Griff, der sogar Jorian zu schaffen machte. Das Gesicht unter dem wirren grauen Haarschopf war rissig und faltig und tief gebräunt, ein Paar kalte graue Augen musterten ihn unter schweren Lidern hervor.
»Willkommen in meinem Haus«, brummte Rhithos. »Ich bedaure, dass Eure Ankunft durch ein Versagen meines Schutzzaubers verzögert wurde.«
»Ja, ich wäre fast verhungert. Obwohl ich mit der Armbrust umzugehen verstehe, habe ich kein einziges Tier zu Gesicht bekommen.«
»Die Silvaner müssen die Tiere fortgetrieben haben. Die schützen sie vor Jägern. Setzt Euch, Herr Jorian. Für den Abend mögt Ihr noch ruhen, obwohl ich morgen Mittel und Wege finden werde, dass Ihr Euren Unterhalt verdient, während Ihr hier weilt.«
Vanora schenkte Wein ein, und Rhithos fuhr fort: »Jetzt berichtet, wie Ihr in diese seltsame Zwangslage geraten seid.«
»Damit begann es vor fünf Jahren«, sagte Jorian, der sich nach dem langen Schweigen des Waldes über eine Gelegenheit zum Erzählen freute. »Aber ich muss noch weiter ausholen. Mein Vater war Evor der Uhrmacher, der seine letzten Jahre in Ardamai, einem kleinen Dorf bei Kortoli, verbrachte. Er versuchte, mir sein Handwerk zu vererben. Aber meine Hände waren besser für Zügel, Schwert, Pflug oder Ruder geeignet, so dass er schließlich seine Bemühungen aufgab, aber nicht bevor ich mit ihm einige der Zwölf Städte bereist hatte, wo er Wasseruhren installierte.
Anschließend gab er mich bei Fimbri dem Zimmermann in die Lehre. Doch nach einem Monat schickte mich Fimbri nach Hause mit einer Rechnung für all die Werkzeuge, die ich im Überschwang meiner Kräfte zerbrochen hatte. Nun gab mich mein Vater zu Rubio, einem Kaufmann in Kortoli. Hier hielt ich es ein Jahr aus, bis ich eines Tages einen schlimmen Additionsfehler in Rubios Unterlagen machte. Er beging den Fehler, seine Wut an mir auszulassen, obwohl ich in den letzten Monaten vom Jüngling zum Mann herangereift war. Ich nahm ihm den Wanderstab fort, mit dem er mich verprügeln wollte, und zerbrach das Holz über seinem Kopf. Er war zwar nur betäubt, aber ich riss trotzdem aus.
Mein Vater versteckte mich, bis es sich erwies, dass Rubios Verletzungen nicht ernsthafter Natur waren, und gab mich dann in das Haus eines kinderlosen Bauern, eines gewissen Onnus. Der Kerl ließ mich sechzehn Stunden am Tag schuften und fast verhungern. Es kam zum Streit wegen eines Mädchens, das ich während der Arbeitszeit besuchte, und er wollte mit der Peitsche auf mich los; da habe ich ihm die weggenommen …«
»Und ihn verprügelt?« fragte Rhithos.
»Nein, Herr, das nicht. Ich warf ihn nur in einen Misthaufen und ging nach Hause.«
Vom Wein befeuert, begann Jorian lebhafter zu sprechen und unterstrich seine Worte mit heftigen Gesten. »Mein armer Vater wusste nun nicht, welchen Beruf ich ergreifen sollte. Meine älteren Brüder waren zu guten und tüchtigen Uhrmachern herangewachsen, meine Schwestern waren verheiratet, aber was sollte aus mir werden? ›Wenn du zwei Köpfe hättest, könnte man dich gegen Eintritt vorzeigen, aber so bist du nur ein nichtsnutziger Bengel‹, sagte er und kam schließlich auf den Gedanken, mit mir zu Syballa, der Weissagerin, zu gehen.
Die Hexe tat Gräser in ihren Topf und Pülverchen ins Feuer, und es gab eine Menge Rauch und zuckende Schatten, und sie verkündete: ›Jorian, mein Junge, du bist nur zum König oder Abenteurer geeignet.‹
›Wie das?‹ fragte ich. ›Dabei will ich nur ein angesehener Handwerksmann sein, wie mein lieber Vater.‹
›Dein Kummer liegt darin‹, fuhr sie fort, ›dass du zu viele Talente hast, um eine Pflugschar zu führen oder die Straßen von Kortoli zu fegen. Und doch bist du auf einem bestimmten Gebiet nicht so gut, dass du daraus einen gottgewollten Beruf machen kannst. Für einen so
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