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Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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Zusammenkunft mit Gloé über diese unerwarteten Erscheinungen beklagte, wollte Traidars Geist nicht einsehen, dass seine Logik falsch sein könnte. ›Es muss daran liegen, dass die Beträge, die Ihr an Eure Untertanen zahlt, nicht ausreichen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Verdoppelt alle Renten, dann werdet Ihr sehen.‹
    Doch nun wuchsen die Anforderungen an die Staatskasse dermaßen, dass Filoman im Ausland Kredite aufnehmen und schließlich das Geld entwerten musste. Bald enthielten kortolische Münzen nur noch so wenig Silber und Gold, dass kein vernünftiger Mensch sie noch annahm. Das richtige Geld aus früheren Zeiten wurde gehortet, während alle Kortolianer Filomans Falschgeld, wie es genannt wurde, loszuwerden versuchten. Und bald kam der Handel zum Stillstand, denn niemand wollte das neue Geld annehmen oder sich von seinem alten trennen. In Kortoli kam es zu Aufständen und anderen schlimmen Ereignissen.
    Schließlich suchte König Filoman Rat bei den Lebenden. Er fragte etliche verhaftete Verbrecher, warum sie so handelten und nicht anders. Viele hatten glatte Lügen auf der Zunge, andere sagten, sie wollten auch eine Rente, doch erst ein alter Mann enthüllte dem König, was wirklich in seinem Kopf vorging.
    ›Seht Ihr, Euer Majestät‹, sagte der Räuber. ›Es geht ja nicht nur um das Geld. Zu Hause zu sitzen und von meiner Rente zu leben, brächte mich vor Langeweile ins Grab.‹
    ›Aber‹, sprach der König, ›es gibt doch viele ehrenvolle, gute Beschäftigungen.‹
    ›Ihr versteht mich nicht. Ich will nicht gut sein – ich möchte schlecht sein. Ich möchte rauben und Menschen weh tun und sie töten.‹
    ›Bei den Göttern! Warum willst du das?‹ fragte der König.
    ›Nun, mein König, zu den tiefsten Sehnsüchten des Menschen gehört es, sich über seinen Mitmenschen zu erheben. Ein lebendiger Mann ist doch sicher einem Toten überlegen, oder nicht?‹
    ›Aye, das kann man wohl sagen.‹
    ›Wenn ich also einen Mann umbringe und weiterlebe, während er stirbt, bin ich doch offenkundig der Überlegene, weil ich noch lebe, oder?‹
    ›Daran habe ich nie gedacht‹, sagte der König beunruhigt.
    ›Das gleiche‹, sagte der Übeltäter, ›gilt für Überfälle, Raubtaten und andere Dinge. Wenn ich jemandem etwas gebe, ein Geschenk erhalte oder Handel treibe, beweist das nicht, wer der Bessere ist. Nehme ich hingegen einem Menschen das Seine gegen seinen Willen ab, habe ich bewiesen, dass meine Macht größer ist als die seine.‹
    ›Ihr müsst ja wahnsinnig sein!‹ rief der König. ›Eine so ungeheuerliche Philosophie habe ich noch nie gehört!‹
    ›Aber, mein König, ich versichere Euch, dass ich ein ganz normaler Mensch bin wie Ihr auch.‹
    ›Wenn Ihr normal seid, kann ich nicht normal sein – und umgekehrt‹, sagte der König, ›denn unsere Ansichten unterscheiden sich wie Tag und Nacht.‹
    ›Ah, Euer Majestät, ich habe nicht gesagt, dass wir uns ähnlich sind. Die Menschen sind so unterschiedlich, dass es keine bestimmte Norm gibt, neben der alle anderen als Verrückte oder miese Charaktere gelten könnten. Alle Menschen haben in sich verschiedene Sehnsüchte und Gelüste, von denen sie mal hierhin, mal dorthin getrieben werden. In Euch ist der Drang, Gutes zu tun, viel stärker als der Hang zum Bösen, während es bei mir und vielen anderen anders herum steht. In der Allgemeinheit sind diese Motive mehr oder weniger ausbalanciert – doch diese Balance lässt sich bei Erreichen eines gewissen Alters nicht mehr ändern, was immer Ihr auch für den Betreffenden tut.‹
    Der König lehnte sich zurück. Schließlich fragte er: ›Und wo habt Ihr das philosophische Räsonieren gelernt, mein lieber Mann?‹
    ›Als Junge bin ich in Metouro von Eurem werten Minister Traidar unterrichtet worden, der damals noch kein Geist, sondern ein junger Lehrer war. Und wenn Ihr mich jetzt bitte auf die Rentenliste setzt …‹
    ›Das kann ich nicht‹, sagte der König, ›denn Ihr habt mir meinen Irrtum aufgezeigt. Ihr erhaltet einen kleinen Geldbetrag und ein Pferd und müsst innerhalb von vierundzwanzig Stunden mein Land verlassen; mehr kann ich für Euch nicht tun, wenn Ihr mir auch die Augen geöffnet habt.‹
    Und so geschah es. Filoman entließ den unzuverlässigen Geist und schickte Gloé wieder in die Wälder und ernannte Oinax zu seinem neuen Minister, und eine Zeitlang herrschten in Kortoli wieder die früheren Zustände. Aber dann fiel König Filoman unter den Einfluss

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