Der Schmetterlingsthron
des so genannten Heiligen Ajimbalin, wovon ich Euch schon erzählt habe.«
Jorian war beim Erzählen näher an die Prinzessin herangerückt und hatte einen Arm um ihren breiten, nackten Oberkörper gelegt. Sie hob ihr Gesicht, damit er sie küsste, und umschlang ihn mit der Kraft einer Pythonschlange.
»Sei bedankt für die Geschichte, Mann«, schnaufte sie. »Und jetzt wollen wir mal sehen, ob du ein besserer Mann bist als diese Pygmäen von Mulvaniern mit ihren winzigen Werkzeugen, ja? Komm!«
Drei Stunden später lag Prinzessin Yargali ermattet und befriedigt auf der Seite, dem Fenster zugewandt, und atmete ruhig und tief. Jorian glitt lautlos aus dem riesigen Bett und zog sich bis auf seine Stiefel an, die er in seinen Gürtel steckte.
Dann suchte er im Schlafzimmer nach der Truhe des Avlen. Die Kerze war niedergebrannt, doch durch die Tür des Wohnzimmers drang etwas Licht. Er stellte fest, dass die Kisten an den Wänden das Gesuchte nicht enthielten. Auch schien es keine Wandschränke oder Geheimfächer zu geben, ebenso wenig im Badezimmer der Prinzessin.
Schließlich entdeckte Jorian die Truhe – unter Yargalis Bett. Es handelte sich um eine schäbige kleine Truhe, etwa anderthalb Cubit lang und ein Cubit hoch und breit, von einem alten Ledergurt umschlungen, der die Messingschlösser stützte. Die Truhe lag auf Jorians Seite unter dem Bett. Er musste das Ding herausziehen und um das Bett herumschleichen, wenn er wieder zum Fenster wollte.
Jorian kniete vorsichtig nieder und zog die Kiste an einem ihrer Messinggriffe zu sich heran. Sie war nicht schwer. Den Atem anhaltend, zerrte Jorian, bis die Truhe vor ihm lag. Er packte schließlich die beiden Griffe, richtete sich auf und trat einen Schritt zurück.
In diesem Augenblick murmelte Prinzessin Yargali zu seinem Entsetzen etwas im Schlaf, wälzte sich herum und öffnete die Augen. Sie warf die Decke zurück und entblößte ihren riesigen braunen Körper mit seinen überdimensionalen Kurven.
»Aha!« zischte sie.
Im ersten Augenblick vermochte sich Jorian – dem Yargalis Wein und ihr Temperament etwas zugesetzt hatte – nicht von der Stelle zu rühren. Und schon begann sich Yargali zu verändern. Ihr Körper wurde länger, ihre Glieder schrumpften ein. Die dunkelbraune Haut verwandelte sich in eine Epidermis aus olivgrünen Schuppen, rotgelb gestreift. Ihr Gesicht wölbte sich auswärts und wurde zu einer langen, schuppigen Schnauze. Moschusgeruch erfüllte das Schlafzimmer.
Sie war eine Schlange – aber eine Schlange, wie sie sich Jorian zuvor nur in Mythen und Legenden vorgestellt hatte. Der Kopf, groß wie ein Pferd, ragte über den Körperwindungen auf. Eine gegabelte Zunge zuckte vor und zurück.
Jorian riss sich zusammen und überlegte blitzschnell. Wenn er um das Bett herumzulaufen versuchte, um das Fenster zu erreichen, konnte der mächtige Kopf mühelos zustoßen.
Wenn er Karadur veranlasst hätte, das Seil zu einem der Wohnzimmerfenster emporzuschicken, hätte er von dort entfliehen können; doch jetzt war ihm dieser Rückzug versperrt. Zu spät erinnerte er sich an Goanias Warnung vor Schlafzimmerfenstern. Hinauszuspringen war ganz unmöglich.
Als sich die Schlange vom knackenden Bett ergoss und auf Jorian zu bewegte, floh dieser ins Wohnzimmer, das zwei Ausgänge hatte. Eine Tür führte wohl in das Obergeschoß des Nachbargebäudes; auf der anderen Seite stand aber bestimmt ein Posten. Die zweite Tür, die offen stand, gab den Weg frei zur Treppe in den Ballsaal. Jorian stürzte die Stufen hinab, und zischend wie ein Riesendampfkessel strömte die Schlange ihm nach – vierzig Cubit lang. Jorian überlegte kurz, dass Yargalis Verwandlung auch ihr Gutes hatte – sie vermochte nun nicht mehr um Hilfe zu rufen.
Im Ballsaal schimmerte nur noch eine einzige kleine Öllampe. Die Diener des Königs hatten den riesigen Teppich ausgebreitet, der den Marmorboden bedeckte, wenn der Ballsaal nicht benutzt wurde. Jorian eilte zur nächsten Terrassentür. Doch der Durchgang war nicht nur zu, sondern auch verschlossen. Im schwachen Licht sah er das Schlüsselloch. In diesem Augenblick erschien Yargalis Schlangenkopf am Fuß der Treppe.
Mit etwas mehr Zeit hätte Jorian das Schloss bestimmt öffnen oder das Glas herausschlagen können. Aber die Scheiben waren klein und fest in Blei gesetzt, so dass er schon mit einem großen Gegenstand hätte zuschlagen müssen, und der Lärm hätte die Wachen alarmiert.
Nein, die Zeit reichte nicht. Im Nu
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