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Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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wäre Yargali heran, würde ihn umspannen und zerdrücken und verschlingen. Nun begriff Jorian, warum seit fünfhundert Jahren niemand die Truhe ihrer lässigen Obhut entrissen hatte.
    Als Yargalis Kopf näher kam, setzte Jorian die Truhe des Avlen auf den Teppich, dessen Ecke er ergriff. Er zerrte ihn den Ballsaal entlang, an den langen Fenstern vorbei, legte den Stoff in Falten, bis er immer schwerer wurde. Unter Aufbietung aller Kräfte und mit knackenden Muskeln schaffte Jorian den schweren Teppich auf die andere Seite des großen Raums.
    Dann ergriff er die Truhe, die die Reise auf dem Teppich mitgemacht hatte, und trat an eines der großen Fenster. Yargali hatte inzwischen den Ballsaal erreicht und befand sich auf dem braunen Marmorfußboden. Doch auf der glatten Oberfläche fehlte ihr der nötige Widerstand. Ihr gewaltiger Schlangenkörper zog sich wellenförmig zusammen, eine Woge nach der anderen strömte von ihrem spitzen Kopf zu dem schmalen Schwanz. Sie bewegte sich wie eine Flagge im Winde, kam jedoch nicht voran. Frustriert zischend verdoppelte sie ihre Anstrengungen, doch ihre Schuppen glitten wirkungslos auf dem polierten Marmor hin und her.
    Inzwischen öffnete Jorian das Schloss des Fensters am anderen Ende, kletterte mit der Truhe hinaus und schloss den Durchgang hinter sich. Mit hastigen Schritten kehrte er zu dem immer noch aufrecht stehenden magischen Seil zurück und sprach die Formel, die es herabfallen ließ.
     
    Eine Viertelstunde später traf Jorian im Schatten der Elefantenpumpe vor dem Haupttor mit Karadur zusammen.
    Jorian fragte: »Hast du meine Sachen? Mein Schwert? Danke … Verflixt, du hast meinen Hut vergessen. Den geben sie jetzt den Jagdelefanten zur Witterung. Ach, was soll’s. Können wir aus deinem magischen Seil eine Schlinge machen, damit ich die verdammte Truhe auf dem Rücken tragen kann?«
    Karadur betastete das Seil. »Aye, warum nicht? Die magischen Kräfte des Stricks sind ohnehin vorläufig erschöpft.«
    Eine Stunde später ritten sie am linken Ufer des Pennerath nach Süden. Jorian schilderte die wesentlichen Punkte seines Abenteuers.
    Der Zauberer fragte: »Wie bist du nur auf den ungewöhnlichen Trick gekommen, Yargali auszuschalten, mein Sohn?«
    »Ich dachte an meine Jugend. Als Junge habe ich mal eine harmlose Schlange besessen. Dabei fand ich heraus, dass Schlangen auf glatten Flächen nicht zurechtkommen. Und ich hoffte, dass es bei der unheimlichen Dame ebenso sein könnte.«
    »Wie fandest du deine … äh … Eskapade in die Sinnenfreude?«
    »Lebhaft – ich kam mir ein wenig vor, als wäre ich einer von Leidenschaft erfassten Elefantenkuh beigelegen. Auch dort hätten mir Steigbügel geholfen; ich wurde mehrmals fast aus dem Bett geworfen.«
    Karadur erschauderte. »Hat es ihr gefallen?«
    »Ich hatte den Eindruck – obwohl ich das Gefühl habe, sie wollte mehr Runden einläuten, als ich bereit war durchzustehen. Immerhin bin ich nur ein Sterblicher – und hatte außerdem ziemliche Angst.«
    »Jorian! Ich habe dir doch gesagt, du sollst solche Worte nicht …«
    »Von mir aus. Aber von jetzt an beschränke ich mich auf normale Frauen. Wenn ich nur meine kleine Estrildis wiederhaben könnte …« Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und sah den Zauberer verblüfft an. »Bei den Göttern! Da fällt mir ein – wenn sie nun empfangen hat?«
    »Sei unbesorgt, mein Sohn. Eine Kreuzung zwischen einem Menschen und einer Angehörigen des Schlangenvolks ist unmöglich, was vielleicht auch ganz gut ist. Ich wage mir nicht vorzustellen, was eine Mischung zwischen ihrer Wandlungsfähigkeit und deinen Talenten ergeben könnte!«

 
7
     
    Die Dschungel von Komilakh erstreckten sich mehr als hundert Meilen weit von Mulvan bis hin zum Östlichen Ozean. Riesige Bäume vieler Arten ragten hoch auf; in den oberen Regionen trieben sich Eichhörnchen und Affen herum; bunte Vögel wirbelten kreischend durch das Geäst. Weiter unten breiteten sich beindicke Ranken aus und versperrten den Reisenden oft den Weg. An diesen Lianen krochen haarige Riesenspinnen entlang, auf der Suche nach Beute. Parasitäre Pflanzen mit gespenstisch gefärbten Blüten gediehen an den Stämmen und Ästen der Bäume.
    Noch tiefer, im Halbdämmer des Unterholzes, lag eine braune Schicht verwesten Laubs zwischen den Stämmen. Hier war nur ab und zu ein Stück blauer Himmel zu erkennen, und nur selten zeigte ein goldener Sonnenstrahl zwischen den Blättern die Richtung der Morgensonne

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