Der Schmetterlingsthron
Nähe zu riechen bekam. Doch am wichtigsten wäre mir die Mahlzeit, sonst falle ich noch selbst in Ohnmacht.«
»Wie habt Ihr Euch seit Eurer Flucht ernährt?«
»Ich habe bei Bauern ausgeholfen und manchmal auch gestohlen, meistens Federvieh; das hatte ich studiert, als ich meine Flucht aus Xylar vorbereitete. Ich danke euch, ihr Hübschen«, sagte er, als zwei Hausmädchen einen Krug Wein und ein herzhaftes Mahl vor ihn hinstellten.
»Vielleicht werdet Ihr dafür bald noch Jorian der Fuchs genannt«, sagte Valdonius. »Wie erging es Euch an der tarxianischen Grenze?«
Gierig kauend, sagte Jorian: »Ich nannte mich Maltho aus Kortoli und sagte, ich suchte Anstellung als Söldner. Man ließ mich schließlich für dreißig Tage ins Land. Der befehlshabende Priester band mir dieses verdammte Band um, als hätte ich eine ansteckende Krankheit.«
»Vom Standpunkt der Kirche aus trifft das auch zu«, sagte Valdonius. »Ihr tragt in Eurem Kopfe alle möglichen unautorisierten Gedanken herum, die sich in der Bevölkerung ausbreiten und die geistlose Hinnahme des Wahren Glaubens beenden könnten.«
»Ich weiß. Ich musste versprechen, während meines Aufenthalts keine religiösen oder philosophischen Fragen mit Tarxianern zu besprechen. Ich hoffe, ich habe das Verbot nicht bereits übertreten.«
»Egal. Dreimal in hundert Jahren vermochte die Theokratie die Grenzen vor solchem subversiven Einflüssen abzuriegeln. Jetzt jedoch herrscht Unruhe und Unzufriedenheit im Land, weil viele Priester nur noch Ausbeuter sind und sich die Vorteile, die sie versprochen haben, nicht bemerkbar machen. Gedanken setzen sich über jede Grenze hinweg.«
»Ich möchte nur wissen, warum man mich überhaupt ins Land gelassen hat.«
»Vielleicht waren die Posten von Eurer aristokratischen Art beeindruckt.«
Jorian leerte seinen Teller und lehnte sich befriedigt seufzend zurück. »Zevatas! Das war gut! Und jetzt, meine gelehrten Kollegen, sagt mir bitte – wie geht es der Truhe des Avlen und unserem Vorhaben?«
Valdonius lachte leise. Er schien immer zu lachen oder zu kichern oder zu lächeln, doch Jorian fand seine Belustigung nicht besonders ansteckend.
»Also ja«, sagte er, »die Truhe des Avlen liegt wohlbewacht in meinem Keller und bleibt auch dort, bis Ihr Herren mir bei einer bestimmten Sache geholfen habt.«
Jorian blickte Karadur an, dem schon wieder Tränen in die Augen traten. »Narr, der ich bin!« sagte der Mulvanier. »Wenn ich das Konklave überlebe, ziehe ich mich in die Einsamkeit zurück! Man kann keinem Kollegen mehr vertrauen.«
»Na, na, alter Freund«, sagte Valdonius. »So würde ich das nicht sehen. Was ich für den Magierberuf hier in Tarxia tue, ist ebenso wichtig wie das, was die anderen Altruisten in Metouro vorhaben.«
»Und was gedenkt Ihr zu tun?« fragte Jorian.
»Ehe ich weiterrede, möchte ich betonen, dass unser Gespräch unter uns bleiben muss. Ich habe Mittel und Wege, jeden zur Rechenschaft zu ziehen, der mit mir falsches Spiel treibt. Karadur sagte mir, dass Ihr eine lose Zunge habt.«
»Nicht bei wirklich wichtigen Geheimnissen.«
»Also gut. Habt Ihr schon den Tempel Gorgolors besichtigt?«
»Nein; ich habe auf dem Weg hierher nur einen kurzen Blick darauf geworfen.«
»Nun, in diesem Tempel steht ein Altar, und hinter diesem Altar erhebt sich ein Podest, auf dem eins der Wunder der Welt steht.«
»Die Smaragdstatue Gorgolors? Ich habe davon gehört.«
»Aye. Diese Statue hat die Gestalt eines Frosches, die aus einem einzigen Smaragd geformt ist – doch der Frosch hat die Größe eines Löwen oder Bären. Es handelt sich um den größten Smaragd, der je gefunden worden ist, und er mag mehr wert sein als alle anderen Edelsteine der Welt zusammen. Nach den Worten der Priester manifestiert sich Gorgolor in dieser Statue, wenn er unsere Existenzebene besucht, und an diese Statue richten sich die Gebete des Theokraten und der übrigen Hierarchie. Was würde nun geschehen, wenn die Statue verschwände?«
Jorian musterte Valdonius von der Seite. »Es gäbe viel Geschrei in der Priesterschaft.«
»Das, junger Mann, ist eine großartige Untertreibung.«
»Warum sollte denn die Statue verschwinden?«
»Wie Ihr bereits erfasst habt, sind viele intelligente Tarxianer nicht glücklich über die Rolle der Theokratie. Nehmt zum Beispiel mich. Die Priester schränken die Möglichkeit der Zauberei sehr ein. Und warum? Weil die Theologen, ohne irgendeine wissenschaftliche Grundlage zu haben,
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