Der Schmetterlingsthron
Aussehen ähnlich der Haut eines Krokodils.
Zum Glück war der Junge nicht der Thronerbe, hatte er doch zwei ältere Brüder. Aber er war gutmütig und friedlich und wurde zum mächtigsten Soldaten, den das Land je gehabt hatte.
Wenn Fusinian an seiner Vaterschaft bei diesem Jungen auch seine Zweifel hatte, so machte er als Philosoph das Beste daraus.«
Jorian sah sich um. Einer der Wächter war eingeschlafen und lehnte schnarchend an einem Baumstamm. Von den anderen hätten mehrere längst schlafen müssen, um hellwach zu sein, wenn ihre Wachen begannen. Statt dessen lauschten sie ihm eifrig.
»Ich kenne da noch eine andere Geschichte«, fuhr er fort, »über diesen Fusarius und den einsamen Löwen …«
So erzählte er stundenlang eine Geschichte nach der anderen, einige aus dem Gedächtnis zusammengekramt, andere aus dem Stegreif erfunden. Absichtlich sprach er mit leiser, monotoner Stimme und sorgte dafür, dass seine Berichte nicht zu aufregend ausfielen. So kam es, dass gegen Mitternacht seine gesamte Eskorte schlief. Wachen waren nicht eingeteilt worden, da auch Glaum eingenickt war, ehe er einen entsprechenden Befehl geben konnte.
Jorian stand auf und griff in sein Hüftband. Dort befand sich das einzige Besitztum, das ihm die Nomaden nicht abgenommen hatten – der kleine Beutel mit Dietrichen. Die Gendings hatten sich zu sehr über seine Waffen und den Geldbeutel gefreut, um ihn gründlicher zu durchsuchen. Als Jorian die gebogenen Drähte in der Hand hatte, machte es keine Mühe, die Handschellen zu öffnen, die er vorsichtig zu Boden legte. Dann ergriff er ein Schwert, das einer der Wächter neben sich auf den Boden gelegt hatte. Es war eine zweischneidige Reiterklinge, sogar noch länger als Randir.
Am liebsten hätte er den Gendings auch noch die eine oder andere Geldbörse abgenommen, aber da jeder seinen Beutel fest am Gürtel hatte, sah Jorian keine Möglichkeit zum Zugreifen, ohne jemanden aufzuwecken.
Oser spitzte die Ohren und schnaubte leise, als Jorian wie ein Schatten heranhuschte und ihn losband. Für sein nächtliches Vorhaben hätte er sich zwar ein dunkleres Tier gewünscht, doch es war noch wichtiger, dass das Pferd ihn kannte.
Die Zügel in der einen Hand haltend, das gestohlene Schwert in der anderen, führte er Oser leise zwischen den anderen Pferden hindurch und den nächsten Hang hinauf. Auf der Erhebung, außer Sicht des Lagers, warf er einen Blick auf die Sterne, die ihm die Richtung anzeigten. Lächelnd stieg er auf und trabte den nächsten Hang hinab in Richtung Tarxia.
9
Der Spherdar zog sich durch die Zentralebene Tarxias, wo Büffelgespanne Holzpflüge durch die feuchte schwarze Erde zogen. Auf den Wiesen und an den Straßen- und Feldrändern leuchteten Millionen von Blumen.
Am Ufer des Spherdar, wenige Meilen vom Inneren Meer entfernt, erhob sich die Stadt Tarxia. Aus der Ferne wirkten ihre Mauern imposant, doch bei näherem Hinsehen war zu erkennen, dass die Befestigungen altmodisch und in schlechtem Zustand waren. Sie bestanden aus Backsteinen und waren daher den modernen Belagerungsmaschinen nicht gewachsen. Zur Verteidigung verließen sich die Tarxianer auch mehr auf ihren Gott und die übernatürlichen Kräfte seiner Priesterschaft als auf Waffen und Befestigungen. Seit der Einführung der Theokratie hatten Tarxias Nachbarn diese Mächte viel zu sehr gefürchtet, um sie ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
Die Stadt selbst war kleiner und schäbiger, als man von einem wichtigen Hafen des Inneren Meeres erwartet hätte. Die Straßen waren schmal, gewunden und schmutzig. Die meisten Häuser ragten hoch auf und waren überfüllt und in schlechtem Zustand. Sogar die Anwesen der reicheren Tarxianer waren bescheiden in Größe und Ausstattung. In den Straßen wimmelten düster gekleidete Laien und Priester des Gottes Gorgolor in schwarzen Roben durcheinander.
Über der Stadt ragte ein riesiges Gebäude auf, der Tempel Gorgolors, des Obergottes von Tarxia, nach Meinung der Theokratie der mächtigste Gott des Universums. Es war der größte, kostbarste und bunteste Tempel in ganz Novaria und übertraf sogar den herrlichen Schrein des Zevatas in Solymbria. Hauptmerkmal des Tempels war die gewaltige Kuppel in der Mitte der kreuzförmigen Anlage.
Gestützt von einer Kuppeltrommel und Eck- und Halbkuppeln, von Pfeilern abgestützt, so erhob sich das Runddach fast 350 Fuß hoch. Die Frühlingssonne spiegelte sich auf den vergoldeten Kacheln. Vier schmale Türme,
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