Der Schmetterlingsthron
nennen, so dass eine Mission sinnlos wäre. Bei den Mulvaniern wären die Chancen nicht besser, obwohl sie uns freundlicher begegnen würden. Sie würden sagen: ›Willkommen, o Priester, wir haben bereits Hunderte von Göttern und fügen unserem Pantheon gern noch einen weiteren hinzu.‹ Da kämen wir nicht weit.«
Im Tempelvorraum blieb Jorian stehen und sah sich um. »Herrlich!« rief er. »Unglaublich! Was für ein Geschmack! Was für kunstvolle Arbeiten! Euer Heiligkeit, Euer Gott muss ein großer und weiser Gott sein, dass er die Menschen so inspiriert!«
»Es ist nett, dass du das sagst, mein Sohn«, bemerkte Kylo strahlend; er sprach mit breitem tarxianischen Bauernakzent. »Du wärst überrascht, wie viel Ärger mir einige konservative Mitglieder meiner Hierarchie gemacht haben, die Mosaiken von unbekleideten Sterblichen und geistigen Wesen unanständig fanden.«
Der Mittelteil des Tempels war quadratisch, mit mächtigen Steinsäulen in jeder Ecke. Gewaltige Bögen erhoben sich von diesen Säulen, und darüber verlor sich die Hauptkuppel im Halbdämmer. Das Innere der Kuppel und die anschließenden Halbkuppeln waren mit vergoldeten, bunten Mosaiken geschmückt, die Szenen aus der gorgolorischen Mythologie darstellten.
Auf einer Seite stand ein Altar. Drei Seitentrakte gingen vom Mittelquadrat aus; hier konnten die Gläubigen stehen. Auf der vierten Seite, die auch den Altar beherbergte, befand sich das Allerheiligste, wo nur die Priester Zugang hatten. Dieser Teil ließ sich durch einen Stellschirm vor unwürdigen Blicken abschirmen. Der Schirm stand nun offen und gab den Blick frei auf einen runden Sockel, auf dem Gorgolor in Froschgestalt hockte, ein riesiger, schimmernder Smaragd.
Als die Gruppe näher kam, sprangen hastig zwei schwarzgekleidete Priester auf und sanken in die Knie.
»Unglaublich!« hauchte Jorian und starrte den grünen Frosch an, der im Halbdämmer zu pulsieren schien. »Meine einzige Einschränkung, wenn Eure Heiligkeit mir das verzeihen, ist die Angst, dass soviel Schönheit einen Gläubigen von der Beschäftigung mit den höheren Wahrheiten ablenkt.«
»Gewiss, Dr. Maltho«, sagte Kylo, »bei einigen Gläubigen mag das so sein. Aber andere werden dadurch um so enger an uns gebunden. Wir können leider die Gläubigen nicht in Kategorien teilen und jeder Gruppe einen geeigneten Tempel bieten. Also bemühen wir uns, den gemäßigten Weg zu gehen, der uns die größte Anzahl gläubiger Seelen bewahrt.«
»Ach ja, Heiliger Vater«, sagte Jorian. »Auch in meiner Stadt kamen wir vor langer Zeit zu dem Schluss, dass Mäßigung die beste Sicherung gegen solche Gefahren ist. Auch Schönheit lässt sich übertreiben. Kennt Ihr die Geschichte von König Forimar aus Kortoli – Forimar der Ästhet?«
»Nein, mein Sohn, auch wenn ich mich an den Namen aus der novarischen Geschichte erinnere. Erzähle.«
Jorian atmete tief. Gemächlich setzte er sich in Richtung Haupteingang in Bewegung, um die Geistlichen mitzulocken – einschließlich der beiden wachhabenden Priester – und begann:
»Forimar war ein Vorgänger Fusinias des Fuchses, von dem viele Geschichten erzählt werden. Es scheint eine Art Gesetz zu sein, dass bei sechs Königen jedes Land einen Helden, einen Schurken, einen Narren und drei Durchschnittliche erwischt. Forimar gehörte zu den Narren, wie später sein Urgroßneffe Filoman der Wohlmeinende. Aber Forimars Narretei war etwas ganz Besonderes. Staatsgeschäfte langweilten ihn zu Tode – das Regieren und ganz besonders der Krieg waren ihm gleichgültig. Seine Leidenschaft für Kunst und Schönheit überlagerte alles andere. Wenn er Staatspapiere hätte lesen sollen, spielte er die Piccoloflöte im Palastsextett. Wenn er Gesandte hätte empfangen müssen, beaufsichtigte er den Bau eines neuen Tempels oder beschäftigte sich sonst wie mit der Verschönerung Kortolis. Wenn er bei der Truppenparade erwartet wurde, dichtete er ein Sonett über die Schönheit des Sonnenuntergangs.
Besonders schlimm war, dass er von all diesen Dingen wirklich etwas verstand. Er war ein annehmbarer Architekt, ein fähiger Musiker, ein erträglicher Komponist, ein guter Sänger und ein ausgezeichneter Maler. Einige seiner Gedichte gehören bis zu den heutigen Tag zu den Ruhmesblättern kortolischer Literatur. Aber er konnte nicht allen diesen Tätigkeiten nachgehen und zugleich König sein.
In der Folge überließ er die Regierung des Stadtstaats einer Reihe von Kanzlern, die er nicht nach
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