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Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Titel: Der Schnee war schmutzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Bett?«
    Da beide wissen, worauf er wartet, fügt Lotte hinzu:
    »Wir passen auf. Ich verspreche dir, daß ich dich wecke, wenn es etwas Neues gibt.«
    Hat er schallend gelacht? Jedenfalls hat es ihn danach verlangt. So oder so muß der Sache ein Ende gemacht werden. Bei der Katze hat es mindestens zwei Tage gedauert. Ist das schwarzweiße Tier mit dem heraushängenden Auge wirklich weggelaufen?
    Wahrscheinlicher ist es, daß der Straßenarbeiter schließlich, während Frank in der Schule war, sein Gewehr genommen und man ihn lieber belogen hat.
    Die Minuten vor Mitternacht verstreichen noch langsamer, als die vor fünf Uhr verstrichen sind. Jene liegen schon so weit zurück, daß sie einer anderen Welt angehören.
    Die beiden Frauen schrecken als erste auf, als man Schritte auf der Treppe hört, aber sie tun so, als ließen sie sich in ihrer Beschäftigung gar nicht stören, die eine bei ihrer Handarbeit, die andere bei der Lektüre des Romans von Zola, dessen Inhalt sie vermutlich nicht wiedergeben könnte.
    Die Haustür ist zugeschlagen. Er ist es. Es kann nur er sein, und man wird ihn, während er vorbeigeht, festhalten. Der Portier hat ihm bestimmt aufgelauert, um ihm die Neuigkeit zu verkünden.
    Wie kommt es, daß man sofort Schritte auf der Treppe hört? Bis zum ersten Stock ist das Geräusch kaum vernehmlich. Erst vom zweiten an hört Frank den dumpfen Hall der Filzstiefel auf den Stufen und zugleich einen anderen Schritt.
    Er hält den Atem an. Minna hätte sich fast erhoben, um die Tür einen Spaltbreit zu öffnen und hinauszusehen, aber Lotte hat ihr bedeutet, sich nicht zu rühren. Sie horchen alle drei. Der andere Schritt ist der einer Frau. Man vernimmt das Klappern der hohen Absätze. Dann hört man, wie sich der Schlüssel im Schloß dreht und wie Holst ganz ruhig sagt: »Geh hinein.«
    Erst viel später wird Frank erfahren, daß sie an der Ecke der Sackgasse auf ihren Vater gewartet hat, dort, wo er selbst eine Nacht lang an der Wand gelehnt hatte. Wird er auch erfahren, daß sie ihn beinahe hätte vorübergehen lassen, daß Holst von der Ecke aus, an der sie kauerte, kaum sichtbar war, als sie mit letzter Kraft gerufen hat: »Vater!«
    Sie sind nach Hause gekommen. Die Tür hat sich wieder geschlossen.
    »Leg dich jetzt hin, Frank. Sei vernünftig.«
    Er hat es erraten. Seine Mutter fürchtet, daß Holst, sobald seine Tochter im Bett liegt, an ihre Türe klopfen wird. Sie möchte ihn lieber selber empfangen. Wenn sie es wagte – aber der starre Blick Franks hält sie davon ab –, würde sie ihrem Sohn raten, ein paar Tage aufs Land zu fahren oder zu einem Freund zu gehen.
    Wie einfach verlaufen die Dinge jedoch! Der alte Wimmer ist nicht aus seinem Versteck herausgekommen. Gewiß ist auch er nicht schlafen gegangen. Durch das Guckfenster hört er alles.
    Hat sich Holst in dieser Nacht zu Bett gelegt? Lange hat man ihn in seiner Wohnung rumoren hören. Sie werden noch etwas Holz und Kohle gehabt haben, denn er hat Feuer gemacht. Er hat später darin gestochert und Wasser zum Kochen aufgesetzt.
    Das Licht ist brennen geblieben. Frank hat zweimal die Tür einen Spaltbreit geöffnet, das erstemal um halb zwei morgens, das zweitemal kurz nach drei. Unter der Tür gegenüber sah man immer noch den Lichtstreifen.
    Auch Frank hat nicht geschlafen. Er ist im Salon geblieben, wo die Frauen ihm durchaus sein Feldbett hatten aufschlagen wollen. Sie haben versucht, ihn mit Grogs schläfrig zu machen. Es ist ihnen aber nicht gelungen. Er hat alles getrunken, was sie ihm gegeben haben, aber trotzdem seinen klaren Kopf behalten. Einen so klaren Kopf hat er sein Leben lang nicht gehabt. Es beängstigt ihn fast, als wäre es etwas Übernatürliches.
    Die Frauen haben sich ausgezogen. Seine Mutter hat Minna behandelt. Er hat ihr ganzes Gespräch mit angehört, in dem von weiblichen Organen die Rede war und in dem auch wieder der Name Otto erwähnt wurde.
    Sie mögen angenommen haben, er schlafe. Lotte war ganz überrascht, als sie in dem Augenblick, da sie das Licht ausknipsen wollte, ihren Sohn kategorisch sagen hörte: »Nein.«
    »Wie du willst. Versuch trotzdem, etwas zu ruhen.«
    Erst gegen fünf Uhr hat Holst seine Tür geöffnet und bei Herrn Wimmer angeklopft. Er hat mehrmals klopfen müssen. Sie haben sich leise im Flur unterhalten, und dann hat sich Wimmer gewiß angezogen. Es hat bei Hoists geklopft, und Holst hat ihm sofort aufgemacht.
    Holst ist dann fortgegangen. Frank hat begriffen, daß er einen

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