Der Schnee war schmutzig
gesagt. Er hat nicht einmal die Hand gehoben, um sich zu befühlen, sondern hat weiterhin dem Offizier mit erhobenem Haupt gegenübergestanden.
Ist er sich in diesem Augenblick bewußt geworden, daß er, ganz gleich, was kommen mochte, verloren war, und daß nichts mehr eine Bedeutung hatte? Wenn ja, dann war es nur eine flüchtige Erkenntnis. Die wahre Entdeckung hat er erst gemacht, als er in seiner Ecke auf dem Bauch lag. Das ändert nichts.
Er hatte nicht geglaubt, daß man in den Büros so etwas tun würde. Und im Grunde stimmte das auch. Der Offizier wirkte verlegen, nachdem er ihn geschlagen hatte, und hat ein paar Worte zu seinem rangniederen Kameraden gesagt, der unter der Lampe arbeitete, wohl so etwas wie: »Versuchen Sie, mit ihm fertigzuwerden.«
Es war ein Fehler, daß er ihn mit dem Messinglineal geschlagen hat, wie Frank jetzt weiß. In jenem Gebäude hätte das nicht vorkommen dürfen. Wer weiß, ob der Offizier nicht dafür bestraft oder versetzt worden ist.
Die Abteilungen, wie Timo sagt.
Der Offizier unter der Lampe, ein großer, magerer, noch junger Mann, hat geseufzt, als wäre es nicht das erstemal, daß der andere sich zu so etwas hatte hinreißen lassen. Dann hat er eine Tür aufgemacht, an der ein Wasserbehälter aus Email und ein Handtuch hingen.
Knochen oder Knorpel hatten gekracht, dessen war Frank sicher, aber er wußte nicht, welche. Als er den Mund aufmachte, spuckte er zwei Zähne aus, und das Blut floß in Strömen.
»Bleiben Sie ruhig. Es ist nicht schlimm.«
Der zweite Offizier machte ein betroffenes Gesicht.
»Wenn es blutet, ist es nicht schlimm«, sagte er, nach den Worten suchend.
Dennoch war es ihm sehr unangenehm, daß das Blut auf den Fußboden floß, während sein Chef sich die Mütze keck aufsetzte und das Büro verließ.
Er schien zu sagen: »Der wird sich nicht mehr ändern!«
Das Auge hing nicht aus der Augenhöhle heraus, aber es kam Frank so vor. Er hätte ohnmächtig werden können. Es war wohl auch das, was der Offizier befürchtete. Aber Frank wollte hart bleiben.
»Es wird nicht schlimm werden. Es ist nichts weiter. Sie haben ihn gereizt. Das war ein Fehler von Ihnen.«
Taugte der Magere mehr als der andere? Oder war es nur eine Komödie, um ihn trotz allem zum Sprechen zu bringen? Der Magere war groß, hatte langsame, sanfte Bewegungen. Er war bestürzt, daß das Blut immer noch aus Nase, Mund und Wange herausquoll. Schließlich wurde es ihm zuviel, und er rief die beiden Zivilisten herein, die nebenan warteten. Sie sahen sich an, dann ging der eine hinunter.
Alles weitere wurde dann schnell geregelt. Der Mann, der hinuntergegangen war, kam wieder. Man wickelte um Franks Gesicht eine Art dunklen dicken Schal, und beide führten ihn, jeder an einem Arm, auf den Hof, wo der Wagen wartete, der sie hergebracht hatte.
Waren diese Herren aufeinander wütend? Gab es zwischen ihnen eine Rivalität? Das Auto fuhr ab. Frank fühlte sich ganz wohl, es war ihm nur, als ob sich sein Kopf langsam entleerte. Das Gefühl war nicht unangenehm. Er erinnerte sich daran, daß er versuchen wollte, das Haus zu sehen, von dem er nur ein Fenster kannte, aber im entscheidenden Augenblick hatte er nicht die Kraft, die Augen aufzumachen.
Er blutete immer noch. Es war ekelhaft. Überall war er mit Blut beschmiert. Er sah kaum den Chef, der mit wenigen Worten seine Befehle gab. Der Chef war auch nicht zufrieden.
So lernte Frank das Krankenrevier kennen, das sich direkt unter der Eisentreppe befand, das er aber vorher nie bemerkt hatte. Es war auch ein Klassenzimmer, aber man hatte es mit lackierten Möbeln und einer Menge Geräten ausgestattet.
War der Mann, der ihn behandelte, ein Arzt? Jedenfalls betrachtete er voller Verachtung die Verletzung, genauso wie der Chef. Die Verachtung galt aber nicht der Wunde, sondern dem, der sie zugefügt hatte. Er schien zu denken: Schon wieder der.
Und ›der‹ war nicht Frank, sondern der Offizier.
Man hat ihn behandelt. Man hat ihm einen dritten Zahn gezogen, der wackelte. Es fehlen ihm nun drei Zähne, zwei Schneidezähne und ein Backenzahn. Hin und wieder, wenn er an die frische Luft kommt, spürt er ein unangenehmes Stechen.
Man hat ihn nicht wieder dorthin gebracht.
Weil der Offizier mit der Zigarre sich so benommen hat? Darum sicherlich nicht. Er erinnert sich an die Schläge, die er am Tag seiner Einlieferung gehört hat.
Es sind Fragen der Taktik. Timo hat in vielem recht. Er weiß nicht alles, aber er sieht das Ganze
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