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Der Schneesturm

Der Schneesturm

Titel: Der Schneesturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Dunkeln.
    »Lil-li-be-be-berg-got-te-be-be-hü-te-te-mem-mich … Fü-führ-me-mi-michauss-se-demme-me-du-dunkel …«, klapperte der Doktor und stöhnte wie vor Schmerz.
    »So!«, hörte er den Krächz brummen, und das Hacken hörte auf.
    Während der Doktor geschlummert hatte, war der Krächz in der Schonung fündig geworden, hatte ein Bäumchen mit krummem Stamm gefällt und entästet, zum Mobil gezerrt und eine Art Kufe daraus geschnitzt. Sie sah unförmig aus und ein bisschen absurd, doch mit ihr konnten sie bis Dolgoje kommen. Man musste sie nur an die gebrochene Kufe anschlagen. Womit, war auch keine Frage: Bei der Reparatur der Kufe auf des Müllers Hof hatte der Krächz vorsorglich drei Nägel eingesteckt.
    Besser wären vier gewesen, so dachte er jetzt.
    »Drei gehn auch«, sagte er sich zur eigenen Beruhigung.
    Als er bemerkte, dass der Doktor sich rührte und etwas in seinen Bart murmelte, ging er zu ihm.
    »Ihr könntet mir zur Hand gehn, der Herr, wenns beliebt.«
    »Lil-li-be-be-berg-got-te …«, bibberte der Doktor.
    »Iss Euch kalt?«
    Der Krächz hatte die Kälte bei der Arbeit nicht gespürt.
    »Ma-mach-chein Fe-feu-errer …«
    »Feuer?« Der Krächz kratzte sich unter der Mützeden Kopf und schielte nach droben, wo kein Mond mehr zu sehen war. »Auch wieder wahr … Man sieht die Hand vor Augen nich, geschweige dass man ein Nagel trifft.«
    »Ma-mach, ma-mach …« Den Doktor schüttelte es wie im hohen Fieber.
    »Das haben wir gleich.«
    Der Krächz griff nach dem Beil und ging zurück in die Schonung, einen dürren Baum suchen. Es dauerte seine Zeit: Wie zum Trotz ließ der Mond sich nicht mehr blicken, er musste sich beinahe blind vorantasten. Als ein dürrer Baum gefunden war, überragte der die anderen um einiges; immer wieder glitt die Schneide ab von dem harten, trockenen Stamm, lange hatte der Krächz mit dem Baum zu kämpfen. Endlich fiel er, der Krächz zerrte ihn zum Mobil, blieb unterwegs zwischen zwei anderen Bäumen hängen, plagte sich ab, kappte im Dunkeln die störenden Äste, wobei er sich um ein Haar noch ins Bein hackte.
    Schnaufend langte er mit dem Baum beim Mobil an.
    Der Doktor saß wie zuvor: gekrümmt, die Hände tief in den Taschen.
    Oje, das Doktorchen friert wie ein Schneider, dachte der Krächz und ging nach kurzem Verschnaufen daran, die trockenen Wedel vom Stamm zu hauen.
    Als er genügend beisammenhatte, sammelte er eine Handvoll dünne Zweige, knickte das Ganze ein paarmal, zog das Feuerzeug hervor und hielt den blauen Flammenstrahl an das Bündel. Zügig fraß das Feuer sich ins dürre Gezweig. Derweil bohrte der Krächz mit dem Stiefelabsatz eine Kuhle in den Schnee, steckte den Zunder hinein und legte trockene Äste darüber.
    Nach kurzer Zeit lohte das Feuer hellauf.
    »Doktorchen, kommt ran und wärmt Euch!«, rief der Krächz.

    Der Angesprochene riss die verklebten Lider auf: Im Kneifer spiegelten sich die züngelnden Flammen. Es kostete Überwindung, sich zu erheben. Der vollkommen steife, durchfrorene Körper musste zum Feuer befördert werden. Alles an ihm zitterte, das vom langen Sitzen eingeschlafene Bein wollte nicht gehorchen. Der Doktor bewegte sich wie ein soeben auferstandener Zombie. Wankte zum Feuer, tappte wie ein besoffener Kutscher mitten hinein.
    »Hehe«, rief der Krächz und stieß ihn zur Seite, »wollt Ihr Euch abfackeln?«
    Der Doktor ließ sich in den Schnee plumpsen und kroch erneut auf das Feuer zu, schob die behandschuhten Hände hinein.
    »Immer verbrenn dich, wenn dir danach ist«, brummte der Fuhrmann, während er dabei war, neue Äste zu knicken und nachzuschieben.
    Kurz darauf brüllte der Doktor auf und zog die Hände aus dem Feuer; die Handschuhe rauchten.
    »Knöpft Euch lieber auf, damit die Wärme rankommt!«, riet ihm der Krächz.
    Die Augen vor dem Rauch zusammenkneifend, knöpfte der Doktor mit zitternden Fingern seinen Parka auf.
    »So isses gut«, sagte der Krächz und lächelte müde.
    Sein Gesicht war schmaler geworden, das Vogellächeln stand noch darin.
    Sie wärmten sich, bis der ganze trockene Baum zu Asche verbrannt war. Der Doktor hatte sich wieder gefasst, er zitterte nicht mehr. Doch die Angst war noch da.
    Wovor eigentlich?, fragte er sich, auf die verstreuten orangefarbenen Glutbröckchen von den Tannenwedeln schauend. Es ist finster, es ist kalt, jawohl, aber wasmacht das? Bis Dolgoje ist es nur noch ein Sprung. Der Krächz hat kein bisschen Angst, ich muss auch keine haben …
    »Wenn Ihr mir bei der

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