Der Schneider himmlischer Hosen
Alte Gebieterin, ihm ihren Sarg zu beschreiben: Größe, Gewicht, Umfang.
«Roter Lack und Gold!» rief er. «Und dieselben Farben auf dem Katafalk, mit dunkelgrün lackierten Ständern. Rotbraun, golden und grün sind die Wälder im Herbst. Und dann die Münzen aus Gold- und Silberpapier, die in die Luft geworfen werden: Geistergeld fürs Jenseits, Schecks, die die Abgeschiedenen im Himmel einkassieren. Wie scheußlich sind im Vergleich damit unsere westlichen Begräbnisse: schwarze Leichenwagen, schwarze Pferde und rasch welkende Blumen. Warum muß Schwarz die Farbe des Todes sein? Warum nimmt man nicht die Farben des Sonnenunterganges?»
Die Alte Gebieterin verstand nicht ein Wort, und weder Kuniang noch Unvergleichliche Tugend vermochten das Ganze zu übersetzen. Aber man schien Gefallen aneinander gefunden zu haben und alles freute sich über die Artigkeit, die Donald zum Ausdruck brachte. Er verabschiedete sich von der Alten Gebieterin mit der Versicherung seiner besonderen Hochschätzung und wandte sich wieder ausschließlich Kuniang zu.
«Wissen Sie, Fräulein Kuniang», sagte er, «daß diese ganzen Reinkarnationsgeschichten, an die die Chinesen glauben, wahr sind? Ich spreche aus eigener, bitterer Erfahrung. Vor zweitausend Jahren wurde ich in China geboren: Ich war Mandarin und trug einen riesigen Jadering am Daumen, einen spitzen Rubin auf dem Hut und eine Pfauenfeder über der linken Schulter — jawohl! Ich hatte so viele Frauen und Konkubinen, daß ich sie nicht einmal vom Sehen kannte; bis auf eine, die Lieblingsfrau. Sie hieß Kleines Kerzenlicht. Ist das nicht ein hübscher Name? Eines Tages ließ ich sie bloßfüßig auf einem goldenen, mit Saphiren inkrustierten Fußboden tanzen. Danach konnte sie eine Woche lang nicht gehen, die Arme! Denn Sie müssen wissen, ich war ein arger Sünder. Es gab keinen ärgeren von der Großen Mauer bis zum Perlenfluß. Sechsundvierzig meiner Schwiegermütter ließ ich im Gelben Fluß ertränken. So etwas verträgt sich schlecht mit kindlicher Pietät, das wird Ihnen jeder Chinese bestätigen. Mit einundfünfzig starb ich, weil ich mich an Haifischflossen in Honig überfressen hatte, und wurde zweitausend Jahre lang nicht wiedergeboren. Zur Strafe, und um die Sünden meines früheren Lebens zu büßen, wurde ich verdammt, außerhalb Chinas geboren zu werden, in einem jämmerlichen Land, das dem Sohn des Himmels nicht einmal untertan ist. So kam ich nach Pittsburg. Kennen Sie Pittsburg? Nein? Dann können Sie die Tragödie meiner Wiedergeburt nicht ermessen. Aber kennen Sie die Geschichte von Mary und dem weißen Lämmchen?
Auch nicht? Dann hören Sie zu:
Mary hätt’ ein Lämmchen,
Sein Fell war weiß wie Schnee.
Sie nahm es mit nach Pittsburg,
Und jetzt schau dir das Vieh mal an.»
3
Kuniang konnte Donald Parramoors funkelnden Gesprächen stundenlang zuhören? Er seinerseits schien begeistert von ihr und entwarf ein Kostüm nach dem andern, in dem er sie auf die Bühne stellen wollte. Denn für Donald, wie für Shakespeare, war die Welt eine Bühne und alle Männer und Frauen darin Darsteller, die man bloß kostümieren mußte. Einmal sah er Kuniang als Elsa in Lohengrin, das Haar in zwei lange, perlenumschnürte Zöpfe geflochten. Ein andermal als Roxane in Cyrano, und obgleich sein Französisch außerhalb des Theaters gerade noch in den Geschäften der Rue de la Paix verständlich sein mochte, zitierte er mit stark amerikanischem Akzent die Verse aus der Balkonszene:
«Comme, lorsqu’on a trop fixé le soleil,
On voit sur toute chose ensuite un rond vermeil,
Sur tout, quand j’ai quitté les feux dont tu m’inondes,
Mon regard ébloui pose des taches blondes!»
Sonderbarerweise gab Donald seine Slangausdrücke auf, wenn er von Kuniangs Haar sprach. Eingefleischter Bühnenmaler, der er war, erlag er dem Zauber dieser herrlichen Flechten.
Einmal standen wir gerade vor dem Haustor. Die jungen Leute waren von einem Ritt zurückgekommen und eben abgestiegen. Kuniang hielt dem Pony eine Karotte hin. Sie hatte den Hut abgenommen, das Haar war nicht aufgesteckt, sondern mit einem braunen Band gebunden und fiel ihr auf die Schultern.
Hingerissen sah Donald Parramoor sie an und rief, fast als spräche er zu sich selbst:
«Wie die Krone Montezumas.»
«Was ist wie die Krone Montezumas?» fragte ich;
«Kuniangs Haar.»
«Aber warum gerade wie die Krone Montezumas?»
«Weil die Krone Montezumas der schönste Schmuck ist,
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