Der Schneider himmlischer Hosen
gesehen?»
«Er muß einen phänomenalen Geschmack haben», bemerkte ich.
«Du irrst. Er hat ungewöhnlich viel Geschmack, das ist ja der Witz. Er behauptet, ich hätte zuwenig Gefühl in meinem Kosmos (was ist das eigentlich?), und mit diesen Ansichtskarten will er meine Herbheit kurieren.»
«Wer ist dieser Donald und woher kennst du ihn?»
Kuniang erzählte. Donald Parramoor war ein junger amerikanischer Globetrotter, der in Begleitung seiner Schwestern Elise und Norah die Welt bereiste. Kuniang hatte die drei im Clock Store in der Hata-Mên-Straße kennengelernt, wo sie Seide einkauften. Da sich dabei anscheinend Schwierigkeiten ergaben, bot sie sich als Dolmetsch an. Man schloß sofort Freundschaft, und die Amerikaner luden Kuniang zum Tee ins Hotel des Wagons Lits ein. Soviel ich erfuhr, war Donald Maler und wollte mich kennenlernen, weil er gehört hatte, ich besäße eine prachtvolle Sammlung alter chinesischer Seidenstoffe, Samte und Stickereien. Kuniang fragte, ob sie ihn herbringen dürfe.
Ich muß gestehen, daß mir jeder Liebhaber von Seidenstoffen und Samten von vornherein sympathisch ist. Wer an meiner wahrhaftig bescheidenen Sammlung Interesse hat, muß eine verwandte Seele besitzen.
So wurde Donald Parramoor samt Schwestern für den nächsten Tag zum Mittagessen eingeladen. Wir trafen uns beim Eingang zu Kuniangs Pavillon. Donald Parramoor mochte etwa siebenundzwanzig Jahre zählen, die beiden Schwestern, hübsche, aber rundliche Geschöpfe, etwas weniger.
Er trug die allgemein verbreitete, dunkel eingefaßte Hornbrille, auf die seine Mitbürger denselben Wert legen wie einst chinesische Mandarine. Er redete unaufhörlich und kommandierte alles herum, mit einer Munterkeit, die anscheinend durchschlagenden Erfolg hatte. Er gehörte zu jenem Typus von Amerikanern, die die Welt für ihren Tummelplatz halten. Angeblich ist dieser Menschenschlag im Aussterben begriffen. Hoffentlich nicht. Er sorgt für die Heiterkeit ganzer Völker.
Gemeinsam begaben wir uns zum Arbeitszimmer; wie alle Besucher, die zum erstenmal ins Haus kommen, blieben sie vor der Tür stehen, um laut Ah-ting-fus Schild zu bestaunen. Donald Parramoor aber äußerte, wenn auch sprachlich nicht ganz einwandfrei, so doch originell:
«Nein, so was», sagte er, vor dem Schild stehenbleibend. «Das bin ich ja, wie ich leib und lebe.»
Ich fragte ihn, warum er sich als Schneider himmlischer Hosen bezeichne.
«Weil ich Maler bin und mein Spezialfach das Entwerfen von Kostümen ist. Ich bin ein Schüler von Bakst. Sie wissen doch, wen ich meine: den Mann, der die Kostüme für das russische Ballett zeichnet. Auch mit Benda habe ich gearbeitet, der Masken macht. Mein Lebensideal besteht darin, mit Masken, Musik und Mondschein zu spielen: hübsche Männer und reizende Frauen in schöne Kostüme zu stecken und dafür zu sorgen, daß sie einander vor einem herrlichen Hintergrund wechselnder Licht- und Schatteneffekte Liebeserklärungen machen. Das nenne ich Philanthropie. Wissen Sie, warum ich in Peking bin? Um chinesische Theaterkostüme zu studieren. Sie sind ungemein originell. Gestern sah ich einen Gürtel, wie er mir noch nie untergekommen ist: aus kleinen gläsernen Vierecken. Der Mann, der ihn trug, war ein Verräter, denn er hatte ein weißgeschminktes Gesicht. Wer nämlich auf der chinesischen Bühne ein weißes Gesicht hat, ist ein Schurke. Warum gibt es das nicht auch bei uns? Das Leben wäre so viel einfacher. Aber die hiesigen Bühnen kennen keine hübschen Girls. Keinen feschen Chor. Nur Mei Lang Fan, und der ist ein Mann, trotzdem er sich blendend herrichtet. Mag sein, daß er ordinär ist, aber ich lege Wert auf einen feschen Chor. Geben Sie mir einen Packen hübscher, gut gewachsener Girls zum Anziehen — und Sie werden sehen, daß Onkel Donald eine große Kanone ist.»
Die Schwestern bestätigten diese Auffassung von Donalds Lebensgeschichte.
«Elsie und ich», erklärte mir Norah eine Weile später, «wir sind für ihn nichts als Mannequins, und wehe uns, wenn wir dick würden. Ginge es auf der Reise nach ihm, er würde uns in jeden Seidenladen Asiens hineinschleppen und zwingen, die Kleider abzulegen, damit er uns mit Seidenstoffen und Pelzen drapieren kann. Und zu Hause treibt er es noch ärger. Er glaubt, daß eine Frau ohne weiteres alles auszieht, was sie anhat, wenn nur er dasteht, um ihr einen hübschen Ersatz umzuhängen — sei es auch bloß ein silberner Stern oder çin Faden Altweibersommer.»
Nach dem
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