Der Schneider himmlischer Hosen
der je entworfen wurde, um die Stirn eines Königs zu zieren. Sie besteht aus den Schwanzfedern eines Paradiesvogels, Federn, die an Bänder erinnern und ein bis anderthalb Meter lang sind, leuchtend goldgelb mit grünen Schatten. Das Original befindet sich in Wien, im Naturhistorischen Museum, aber man kann seine Schönheit nicht richtig würdigen, weil es ausgebreitet ist wie ein Fächer und in einem dunklen Winkel hängt. Überdies ist die Krone uralt; die Federn sind brüchig und verstaubt. Sie haben Farbe und Schimmer verloren. Aber man könnte ein ähnliches Kostüm für einen Maskenball machen. Sie ahnen nicht, was für herrliche Wirkungen man mit einer Federkrone erzielen kann.»
Ich sah wieder auf Kuniang. Die Abendsonne leuchtete in ihrem Haar. Ich fand, keine Krone könne sich mit solcher Schönheit messen.
Einige Tage später teilte mir Kuniang mit, sie komme eben von der. Bahn und habe ihren Freunden das Geleit gegeben. Sie müßten wieder nach Europa zurück. Vor der Abreise habe Donald versprochen, ihr ein Kostüm mit Federkrone à la Montezuma zu entwerfen und zu schicken. Aber monatelang ließ er nichts von sich hören.
Elisalex
Ab und zu gehe ich oben auf der breiten Tatarenmauer spazieren. In früheren Zeiten führte dieser Weg rund um die Stadt, aber vor kurzem wurde er beim Hata Mên und Chien Mên — dem Tor des Erhabenen Wissens und dem Vorderen Tor — mit Stacheldrahtverhauen abgesperrt, so daß mein Lieblingsspaziergang jetzt einigermaßen beschnitten ist.
Eines Sonntags traf ich zu meiner Überraschung Kuniang und Onkel Podger auf der Mauer, in Begleitung einer mir unbekannten Dame. Ich nahm den Hut ab, Kuniang lächelte, und die Dame .grüßte. Wir wären aneinander vorbeigegangen, hätte nicht Onkel Podger Verwirrung geschaffen, indem er sich in die Mitte des Weges stellte und abwechselnd mich und Kuniang ansah, als wisse er nicht, wem er folgen solle. Ehe er noch einen Entschluß gefaßt hatte, war ein Gespräch im Gang und Kuniang vollzog eine nicht sehr formvollendete Vorstellung, wobei ich den Namen der Dame nicht verstand und sie den meinigen vermutlich auch nicht.
Wir plauderten ein paar Minuten und schlenderten dann gemeinsam zu den Rikschas zurück, die am Fuß des Hügels, bei der amerikanischen Gesandtschaft, auf uns warteten. Aus den üblichen Fragen, die man an jeden Menschen richtet, den man in Peking kennenlernt, ergab sich, daß die Dame Russin war (obgleich sie tadellos englisch sprach) und vor drei Monaten aus Charbin gekommen war.
Ihre ungewöhnliche Schönheit, der Zauber der Stimme und ihres Wesens machten mir starken Eindruck. Eine Dame der Gesellschaft ist in Peking etwas Seltenes, und Kuniangs neue Freundin gehörte sichtlich zur großen Welt. Sie war blendend angezogen, in Schwarz, und der schwarze Pelz schmiegte sich so eng um ihren Hals, daß man das Gesicht kaum sehen konnte: wir hatten einen eiskalten Tag, kurz nach Neujahr.
Als wir uns dem Turm näherten, der sich über dem Chien Mên erhebt, deutete ich auf die Dächer der Verbotenen Stadt, deren gelbe Ziegel im Sonnenlicht gleißten, auf die fernen Westberge und, südwärts, auf das mehrstufige Dach des Himmelstempels. Unsere Begleiterin betrachtete diese Sehenswürdigkeiten mit milder Neugier und zeigte keinerlei Begeisterung. Sie v r ar nicht im mindesten «aufgeregt», wie die Fremden sonst. Vielleicht fand sie die Menschheit interessanter als ein Gebäude oder den Blick auf ferne Berge.
Wir verließen die Mauer, bestiegen unsere Rikschas, und da erfuhr ich zu meiner Überraschung, daß wir den gleichen Heimweg hatten
— nach Westen. Die Dame wohnte beider russischen Familie! Sie sah nicht aus, als ob sie mit Patuschka und Matuschka dick befreundet wäre. Diese glichen ungeschliffenen Diamanten: sie einem Brillanten in einer Fassung von Cartier. Sie war wohl ein Mitglied jener russischen Kreise, die vor dem Krieg den Winter in den Luxushotels der Riviera verbrachten und im Sommer Picknicks auf den Inseln bei Petersburg veranstalteten, wobei livrierte Bediente eisgekühlten Champagner servierten und Tischtücher mit echten Spitzen und Teller aus Gold auf dem grünen Gras zwischen blühendem Krokus lagen.
Als wir zu Patuschkas Haus kamen, verabschiedete ich mich von meinen Begleiterinnen und bedeutete dem Rikschakuli, den Weg fortzusetzen. Aber die Dame bat mich, mitzukommen und nach der kalten Fahrt eine Tasse Tee zu trinken.
Ich hatte das Haus der Russen noch nie betreten und
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