Der Schneider himmlischer Hosen
so bald wie möglich heiraten und bis an unser Ende glücklich sein wollten.
Wie gern würde ich hier meine Erzählung schließen: Kuniang und ich sitzen auf dem Sofa und Onkel Podger zu unseren Füßen. Das heißt natürlich im Lehnsessel gegenüber. Was für ein passendes Schlußbild: Kuniangs Haar und halbmondförmiges Muttermal schimmern im Lampenlicht, ich halte sie im Arm, und unsere Lippen vereinen sich im Kuß. Wie viele Romanschriftsteller haben unter solch eine Szene das Wort ende gesetzt. Und wahrlich, die Liebe ist Anfang und Ende, und es gibt keinen besseren Höhepunkt als das Bild eines jungen Mädchens im’ Arm des Geliebten. Aber meine Erzählung ist noch nicht zu Ende, obgleich Kuniang und ich damals nicht wußten, daß wir nur Nebenfiguren eines größeren Schauspiels waren. Und dieses hatte bis jetzt weder Höhepunkt noch Abschluß gefunden.
Im Palast des Herzogs Lan
1
Eine Woche später kam Paul nach Peking zurück und richtete sich wieder im Palast des Herzogs Lan ein. Kuniang besuchte ihn sogleich; nach einigen Stunden kehrte sie mit düsterer Miene zurück. Sie erzählte, Pauls Krankheit habe sich plötzlich verschlimmert, und fügte hinzu:
«Er hat mehrere chinesische Diener aufgenommen, Verwandte der Fünf Tugenden; bestimmt ein greuliches Diebsgesindel. Aber es scheint, daß sie ihn ordentlich pflegen. Trotzdem dürfte man ihn nicht So allein lassen, bloß mit den chinesischen Boys; er ist das Leben im Osten ja nicht gewohnt.»
«Könnte er nicht eine Spitalschwester nehmen? Es gibt doch Berufspflegerinnen in Peking.»
«Nein. Er will niemanden um sich dulden, der ihn in seinen Träumen stören könnte. Der Abt besucht ihn täglich und läßt ihn träumen. Das ist das einzige, was Paul noch vom Leben hat.»
«Heißt das, daß du ihn pflegen willst?» —
«Ich halte es für meine Pflicht.»
«Ich will dich gewiß nicht daran hindern, Samariterdienste zu leisten... Aber ich fürchte, daß die Sache sich hinziehen und dich arg mitnehmen wird.»
«Ich muß ja nicht den ganzen Tag dort verbringen. Ich könnte mir jedoch vorsichtshalber in einem der Pavillons ein Feldbett aufstellen lassen, um dort zu übernachten, wenn es sein muß.»
Und so geschah es auch. Die nächsten Wochen sah ich Kuniang nur, wenn sie für eine oder zwei Stunden nach Hause kam, oder wenn ich sie und Paul im Palast des Herzogs Lan besuchte. Ich war noch niemals dort gewesen, obgleich der Palast, wenn ich mich recht erinnere, Ausländem oft als Typus früherer fürstlicher Residenzen gezeigt wird. Mir kam er nicht viel anders vor als die anderen Mandschupaläste der Tatarenstadt. Höchstens, daß der Garten größer und gepflegter war.
In diesem Gärten ging ich meistens mit Kuniang spazieren, ehe ich Paul aufsuchte. Es war sehr still dort. Krähen lockten einander von den Wipfeln der Riesenakazien, und hie und da nützte eine Eidechse die letzten warmen Tage und sonnte sich auf einem Marmorsitz,, dessen Lehne von einer überdachten Felswand gebildet wurde. Selbstsüchtig wie alle Liebenden schlenderten wir endlos lang über die grasbewachsenen Wege, ehe wir zu Paul hineingingen.
Als ich ihn zum erstenmal nach der Ankunft in Peking wiedersah, lag er auf einem Kang — dem chinesischen Bett — aus Teakholz und Cloisonné. Er war halb zugedeckt mit Pelzdecken, die er ruhelos abschüttelte und wieder heraufzog. Obwohl er damals nicht fieberte, schien er recht erschöpft, und mir kam der Gedanke, daß die Träume, die der Abt ihm gab, ihn vielleicht den wirklichen Schlaf kosteten. Er lag auf dem Rücken, von Kissen gestützt, und zeichnete mit trägen Fingern kleine Figuren auf dem Cloisonnégestell des Lagers nach.
«Dieses Bett gehört zur Originaleinrichtung des Palastes», sagte er müde. «Sie sehen, die Figuren sind Europäer in Gewändern des achtzehnten Jahrhunderts. Da haben Sie eine Gruppe von Männchen mit Dreispitz; sie tragen eine große chinesische Uhr auf zwei Stöcken. Offenbar wollte der Künstler sie darstellen, wie sie dem Kaiser von China Tribut darbringen.»
Paul hatte mich nicht begrüßt, als ich das Zimmer betrat; anscheinend hielt er meine und Kuniangs Anwesenheit für so selbstverständlich, daß er gar nicht daran dachte, wir seien nur seinetwegen hier. Dies fiel mir auf, denn es bewies, wie sehr er im Bann seines Traumlebens stand und wie gleichgültig ihm alles geworden sein mußte, was in der Welt um ihn vorging. Die kleinen Gestalten in Cloisonné besaßen
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