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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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mehr so unglücklich.
    Ich arbeitete viel an diesem Nachmittag, vor und nach dem Abendessen, um einen Aufsatz für ein Schanghaier Blatt fertigzustellen. Ich wollte mich für den nächsten Tag frei machen. Es war fast zwölf, als ich vom Schreibtisch aufstand und zum Likörschrank ging, um mir einen Drink zu mixen. In diesem Augenblick kam Unvergleichliche Tugend und meldete, jemand wolle mich sprechen: die Tai-tai, die mit der russischen Familie befreundet sei. Es war Elisalex.
    An Besuche schöner Frauen zu solch nächtlicher Stunde bin ich nicht gewöhnt und war daher einigermaßen verwundert. Aber ich sagte Unvergleichlicher Tugend, er möge sie hereinführen, richtete mir die Krawatte und ging der Besucherin bis zur Tür entgegen.
    Elisalex trug einen Abendmantel aus schwarzem Samt, darunter sah ein weißes Satinkleid hervor. Ihre Abendschuhe waren das Eleganteste, was ich je in Peking auf diesem Gebiet gesehen habe. Sie wollte den Mantel nicht ablegen, nahm aber im Lehnstuhl Platz, während ich ihr Zigaretten anbot und Feuer gab. Das Flämmchen spiegelte sich in ihren Brillantohrringen. Elisalex hatte anscheinend in der Stadt soupiert.
    Sie erklärte mir den Grund ihres Besuches.
    «Ich fahre in kürzester Zeit weg. Ich wollte mich von Ihnen verabschieden.»
    «Eine böse Nachricht», erwiderte ich höflich. «Kuniang wird verzweifelt sein. Und wohin fahren Sie?»
    «Nach Charbin; später vielleicht nach Rußland. Aber das weiß ich noch nicht.»
    «Sie werden bald das beherrschen?»
    Elisalex sah mich verwundert an, dann sagte sie:
    «Ach so! Kuniang muß Ihnen davon erzählt haben. Aber nehmen Sie die Sache nicht allzu ernst. Für uns alle gibt es ein «Himmlisches Reich>; man muß es nur zu finden und zu halten wissen.»
    Sie sprach leichthin, als fände sie die Angelegenheit nicht weiter belangvoll. Vielleicht wäre es ihr lieber gewesen, ich hätte nichts davon gewußt. Dann fügte sie hinzu:
    «Außerdem bin ich hergekommen, weil ich mit Ihnen über Kuniang sprechen will. Sie pflegt noch immer diesen Engländer? Nicht?»
    «Ja. Allerdings.»
    «Wie heißt er doch?»
    «Dysart. Paul Dysart.»
    «Richtig, jetzt erinnere ich mich. Er läßt sich von dem mongolischen Abt Träume suggerieren.»
    Elisalex schien genau unterrichtet. Offenbar hatte ihr Kuniang von Paul erzählt. Ich entgegnete:
    «Jawohl. Es ist eine Art Hypnose, die der Abt irgendwo im Norden gelernt haben dürfte. Die Tung-hudze sind Meister in diesen Dingen. Ursprünglich wollte Paul darin Trost und Vergessen für seine Krankheit finden. Aber nach Kuniangs Mitteilungen zu schließen, leidet er jetzt sogar im Traum.»
    «Wenn man ein anderes Ich annimmt, heißt das noch nicht, daß dieses Ich glücklich ist. Glaubt Ihr Freund an Gott?»
    «Ich weiß nichts darüber. Warum fragen Sie?»
    «Wenn er gläubig wäre, hätte er sein Kreuz auf sich genommen und der Liebe und dem Mitleid vertraut, die ihm geholfen hätten, es zu tragen. Er hätte nicht beim Osten Trost für seinen Schmerz gesucht. Der Osten ist gleichgültig gegen Schmerz, mitleidlos und fremd. Er kennt keine Liebe, nur Entsagung und Weltflucht. Gott ist gütiger als ein mongolischer Abt, gütiger sogar als derjenige, der vielleicht einmal Lebender Buddha sein wird.»
    Ich blickte Elisalex überrascht an und antwortete:
    «Sie messen dem Tun des armen Jungen zuviel Bedeutung bei. Er macht ja gar nicht den Versuch, seinem Schicksal zu entrinnen. Aber er ist zu jung zum Sterben und sehnt sich vor seinem Ende nach neuen Erlebnissen.»
    «Vielleicht findet er nur neue Qualen. Ich rate Ihnen, Kuniang aus seiner Nähe zu entfernen, und zwar so rasch wie möglich.»
    «Wie gerne täte ich das! Ich habe sie heute gesehen und finde sie recht angegriffen. Aber es wäre grausam, sie Paul wegzunehmen, denn gerade vor seinem Ende wird er sie am meisten brauchen.»
    Elisalex schien über meine Worte nachzudenken, denn sie blieb eine Weile stumm. Ich beobachtete sie und mußte wieder einmal die Anmut ihrer Bewegungen, die unvergleichliche Eleganz ihrer Toilette und Haltung bewundern. Nicht zum erstenmal fragte ich mich, was sie in Peking tun mochte. Die Erklärungen, die ich bisher gehört hatte, befriedigten mich nicht. Es blieb ein ungelöster Rest.
    Nach einiger Zeit sagte sie:
    «Ich glaube nicht, daß Sie wissen, wie lieb ich Kuniang habe. Ich möchte ihr gern all das Glück schenken, das mir versagt geblieben ist, und all das Unglück ersparen, das ich durchmachen mußte.

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