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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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wollte ihn vom Balkon werfen, so daß er durchs zwölf Stockwerke tiefer gelegene Dach des Club Unión krachte und der ganzen Gesellschaft den Abend verdarb; wollte ihn in der Dusche ertränken; ihm Gift in den Whisky schütten – »Na schön, Andrew, wenn Sie darauf bestehen, aber nur ein winziges Schlückchen, wenn ich bitten darf« – und noch beim letzten Atemzug würde er an den Zähnen saugen. Aber Osnards Wut war nicht allein auf Luxmore beschränkt:
    Maltby ! Mein Botschafter und Golfpartner, so ein Mist! Dieser verfluchte Vertreter der Königin, diese welke Blüte der blöden britischen Diplomatie – zieht mich über den Tisch wie ein Profi!
    Stormont ! Muster der Redlichkeit, geborener Verlierer, letzter der weißen Männer, Maltbys treuer Pudel mit Bauchschmerzen – treibt sein Herrchen mit Nicken und Knurren an, und mein erhabener Bischof Luxmore gibt den beiden seinen Segen!
    Verschwörung oder Schlamperei? fragte sich Osnard immer wieder. Hatte Maltby ihm einen Wink gegeben, als er von »gerechter Lastenverteilung« und »einer allein kann die Sache unmöglich weiterbearbeiten« gesprochen hatte? Wollte etwa Maltby , dieser grinsende Pedant, in die Ladenkasse greifen? Das würde der Trottel niemals fertigbringen. Vergiß es. Und Osnard vergaß es tatsächlich bis auf weiteres. Sein angeborener Pragmatismus setzte sich wieder durch, er gab die Rachegedanken auf und konzentrierte sich statt dessen darauf zu retten, was von seinem großen Unternehmen noch zu retten war. Das Schiff ist angeschlagen, aber nicht gesunken, sagte er sich. Ich bin noch immer BUCHANs Zahlmeister. Maltby hat recht.
    »Möchten Sie jetzt mal was anderes, Sir, oder wollen Sie lieber beim Scotch bleiben?«
    »Andrew, bitte. Ich beschwöre Sie. Scottie, wenn’s recht ist.«
    »Werd mir Mühe geben«, versprach Osnard, der durch die offene Balkontür getreten war, ihm nun an der Anrichte im Eßzimmer einen weiteren abgemessenen Schluck Malt-Whisky einschenkte und damit auf den Balkon zurückkehrte. Jetlag, Whisky und Schlaflosigkeit begannen sich nun doch bei Luxmore auszuwirken, diagnostizierte Osnard nach eingehender Betrachtung der in den Liegestuhl gestreckten Gestalt seines Vorgesetzten. Und dann die Luftfeuchtigkeit – sein Flanellhemd war klatschnaß, der Schweiß troff ihm aus dem Bart. Und die Panik angesichts der Vorstellung, ohne eine Frau, die sich um ihn kümmerte, hier draußen im Feindesland festzusitzen – der gehetzte Blick, das Zucken seiner Augen bei jedem plötzlichen Geräusch von Schritten, bei jeder Polizeisirene, bei jedem Gebrüll, das durch die häßlichen Schluchten von Punta Paitilla zu ihnen hinaufschallte. Der Himmel war klar wie Wasser und mit kalten Sternen übersät. Der wildernde Mond grub einen hellen Pfad zwischen den im Kanaleingang ankernden Schiffen, aber von See her kam kein Lüftchen. Wie üblich.
    »Sie haben mich gefragt, ob die Zentrale irgend etwas tun könnte, das der hiesigen Station das Leben ein wenig leichter macht, Sir«, bemerkte Osnard schüchtern.
    »Habe ich das gesagt, Andrew? Also wirklich.« Luxmore fuhr mit einem Ruck hoch. »Schießen Sie los, Andrew, schießen Sie los. Auch wenn ich mit Freuden bemerke, daß Sie sich schon ganz nett hier draußen eingerichtet haben«, fügte er eher leicht unfreundlich hinzu und machte eine fahrige Armbewegung, die sowohl die Aussicht als auch die Wohnung umschloß. »Betrachten Sie das nur nicht als Kritik. Auf Ihr Wohl. Auf Ihren Mut. Ihren Scharfsinn. Ihre Jugend. Eigenschaften, die wir alle bewundern. Prost!« Schlürf. »Sie haben eine großartige Karriere vor sich, Andrew. Wissen Sie eigentlich, was das Zeug jetzt zu Hause kostet? Wenn Sie Glück haben, kriegen Sie auf einen 20-Pfund-Schein noch ein bißchen raus.«
    »Es geht um das von mir erwähnte sichere Haus, Sir«, erinnerte ihn Osnard mit dem Gebaren eines besorgten Erben am Bett seines sterbenden Vaters. »Höchste Zeit, daß wir von Stundenhotels Abschied nehmen. Ich habe an einen der renovierten Altbauten in der Altstadt gedacht, vielleicht würde uns so etwas eine breitere operative Basis verschaffen.«
    Aber Luxmore hatte auf Sendung, nicht auf Empfang geschaltet. »Wie diese Wichtigtuer Sie heute abend unterstützt haben, Andrew. Mein Gott, das sieht man nicht alle Tage, daß einem Jüngeren soviel Respekt entgegengebracht wird. Sie können jetzt schon mit einem Orden rechnen, wenn die Sache hier vorbei ist. Eine gewisse kleine Lady auf der anderen Seite des Flusses

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