Der Schneider
überhaupt etwas anderes vorschwebt als mich zum alten Eisen zu werfen; vergleiche ihre ausweichende Antwort von gestern auf mein Schreiben von vor sechs Wochen. Und Paddys Husten macht mir beträchtliche Sorgen – wann finden diese verdammten Ärzte endlich ein Mittel dagegen?
»Warum kann es zur Abwechslung nicht mal ein übles britisches Konsortium sein?« jammerte Maltby mit dünner Stimme, die hauptsächlich durch die Nase kam. »Ich würde es genießen , im Zentrum eines teuflischen britischen Komplotts zu stehen. Das war mir noch nie vergönnt. Ihnen, Fran?«
Die schöne Francesca Deane lächelte verbindlich und sagte: »Leider.«
»Leider ja? «
»Leider nein.«
Maltby war nicht der einzige Mann, den Francesca zum Wahnsinn trieb. Halb Panama war hinter ihr her. Sie hatte einen hinreißenden Körper und war auch im Kopf nicht ohne. Blond und hellhäutig, war sie genau der Typ, auf den lateinamerikanische Männer nun einmal abfahren. Stormont sah sie hin und wieder auf Partys, umringt von Panamas begehrtesten Weiberhelden, die alle nur darauf aus waren, sich mit ihr zu verabreden. Sie aber ging stets um elf nach Hause und legte sich mit einem Buch ins Bett, und am nächsten Morgen um neun saß sie wieder, in ihrem schwarzen Juristenoutfit und ungeschminkt am Schreibtisch, gerüstet für einen weiteren Tag im Paradies.
»Fänden Sie es nicht auch lustig, Gully, wenn es irgendein schrecklich geheimes britisches Angebot gäbe, den Kanal in eine Forellenfarm umzuwandeln?« fragte Maltby mit elefantöser Witzigkeit den kleinen, tadellos aufgetakelten Lieutenant Gulliver, vormals Königliche Marine, jetzt Beschaffungsreferent der Botschaft. »Die Jungfische in den Miraflores-Schleusen, die etwas größeren in denen bei Pedro Miguel, die Ausgewachsenen im Gatún-See? Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee.«
Gully lachte laut auf. Beschaffung war das Letzte, womit er sich befaßte. Er hatte die Aufgabe, jedem, der genug Drogengeld für so etwas übrig hatte, so viele britische Waffen wie möglich anzudrehen. Seine Spezialität waren Landminen.
»Ausgezeichnete Idee, Botschafter, ausgezeichnet«, bestätigte er dröhnend mit der ihm eigenen Kasinoherzlichkeit; dann zog er ein fleckiges Taschentuch aus dem Ärmel und schnaubte kräftig hinein. »Habe übrigens am Wochenende einen prächtigen Lachs gefangen. Zweiundzwanzig Pfund. Mußte zwei Stunden fahren, um den Scheißkerl zu erwischen, aber es hat sich gelohnt.«
Gulliver hatte bei der Sache mit den Falkland-Inseln mitgemacht und dafür einen Orden erhalten. Seither war er, soweit Stormont wußte, nicht mehr von dieser Seite des Atlantik weggekommen. Gelegentlich, wenn er betrunken war, erhob er sein Glas auf »eine gewisse geduldige kleine Dame auf der anderen Seite des Teichs« und stieß einen Seufzer aus, der freilich eher dankbar als sehnsuchtsvoll gemeint war.
»Als Politischer Referent?« echote Stormont.
Offenbar hatte er lauter gesprochen, als ihm bewußt war. Vielleicht war er eingenickt. Nachdem er die ganze Nacht an Paddys Bett gewacht hatte, wäre das auch nicht verwunderlich gewesen.
» Ich bin der Politische Referent, Botschafter. Die Kanzlei ist die politische Abteilung. Warum wird er nicht der Kanzlei unterstellt, wo er hingehört? Sagen Sie nein. Lassen Sie das nicht mit sich machen.«
»Es wird leider nicht möglich sein, dergleichen vorzubringen, Nigel. Die Sache ist längst beschlossen«, gab Maltby zurück. Sein belehrendes Kichern ging Stormont jedesmal durch Mark und Bein. »Selbstverständlich innerhalb eines gewissen Rahmens. Man hat der Personalabteilung per Fax vorsichtige Bedenken zukommen lassen. Über die öffentliche Leitung, da kann man nicht viel sagen. Die Kosten für kodierte Übertragungen sind heutzutage astronomisch. Muß an all diesen Apparaten und klugen Frauen liegen.« Sein Grinsen wich einem schnell unterdrückten Lächeln in Richtung Francesca. »Aber natürlich verteidigt man seine Ecke. Die Antwort fiel in etwa so aus, wie zu erwarten war. Voller Verständnis für unsere Auffassung, aber unnachgiebig. Was man in einer Hinsicht verstehen kann. Wäre man selbst in der Personalabteilung, würde man schließlich genauso reagieren. Die haben doch auch nicht mehr Spielraum als wir. In Anbetracht der Umstände.«
Es war das als Postskriptum angefügte Wort »Umstände«, das Stormont den ersten Hinweis auf die Wahrheit gab, aber der junge Simon Pitt kam ihm zuvor. Simon, groß und flachsblond und stets
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