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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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zu Scherzen aufgelegt, trug einen Pferdeschwanz, den abzuschneiden ihm Maltbys gestrenge Frau vergeblich befohlen hatte. Er war ein Neuzugang und zur Zeit für alles verantwortlich, was kein anderer haben wollte: Visa, Auskunft, defekte Botschaftscomputer, ortsansässige britische Staatsangehörige und noch unwichtigere Dinge.
    »Er könnte mir doch einiges abnehmen, Sir«, erbot er sich forsch und hielt eine schlaffe Hand hoch, als böte er bei einer Versteigerung mit. »Als erstes vielleicht die ›Träume von Albion‹?« fügte er hinzu, auf eine Wanderausstellung früher englischer Aquarelle anspielend, die gegenwärtig zur hellen Verzweiflung des Londoner British Council in einem panamaischen Zollschuppen verrotteten.
    Maltby wählte seine Worte noch penibler als sonst bei ihm üblich. »Nein, Simon, die ›Träume von Albion‹ wird er wohl leider nicht übernehmen können«, erwiderte er, dann griff er mit seinen Spinnenfingern nach einer Büroklammer und bog sie nachdenklich auseinander. »Streng genommen ist Osnard nicht einer von uns. Eher einer von denen , falls Sie mir folgen können.«
    Erstaunlicherweise kam Stormont immer noch nicht auf das Naheliegende. »Entschuldigen Sie, Botschafter, aber ich verstehe Sie nicht. Einer von wem? Arbeitet er für eine Firma oder was?« Ihm kam ein furchtbarer Gedanke. »Doch nicht etwa im Auftrag der Industrie?«
    Maltby hauchte einen nachsichtigen Seufzer auf seine Büroklammer. »Nein, Nigel, soweit ich weiß, arbeitet er nicht im Auftrag der Industrie. Aber ich weiß nichts. Ich weiß nichts über seine Vergangenheit und nur sehr wenig über seine Gegenwart. Auch seine Zukunft ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Er ist ein Freund . Kein richtiger Freund, möchte ich betonen, obwohl wir alle natürlich hoffen wollen, daß er sich im Lauf der Zeit als einer erweisen wird. Er ist einer von diesen Freunden. Verstehen Sie mich jetzt? «
    Er schwieg, gab schlichteren Gemütern Zeit, seine Worte nachzuvollziehen.
    »Er ist von der anderen Seite des Parks, Nigel. Das heißt, jetzt vom Fluß. Sind umgezogen, wie man hört. Früher am Park, jetzt am Fluß.«
    Stormont hatte die Sprache wiedergefunden. »Soll das heißen, die Freunde wollen hier einen Stützpunkt errichten? Hier in Panama? Das geht doch nicht.«
    »Interessant. Und warum nicht?«
    »Weil sie abgezogen sind. Als der Kalte Krieg vorbei war, haben sie den Laden dichtgemacht und den Amerikanern das Feld überlassen. Es gibt ein Beteiligungsabkommen, allerdings unter dem Vorbehalt, daß sie sich da raushalten. Ich selbst gehöre doch dem gemeinsamen Überwachungsausschuß an.«
    »Allerdings, Nigel. Und recht erfolgreich, wenn ich so sagen darf«
    »Also, was hat sich geändert?«
    »Die Umstände, nehme ich an. Als der Kalte Krieg vorbei war, sind die Freunde gegangen. Jetzt fängt der Kalte Krieg wieder an, und die Amerikaner ziehen sich zurück. Ich äußere nur Vermutungen, Nigel. Ich weiß nichts. Nicht mehr als Sie. Dann haben sie um die alte Position gebeten. Und unsere Vorgesetzten haben entschieden, sie ihnen zu geben.«
    »Wie viele?«
    »Vorläufig einer. Bei Erfolg werden sie zweifellos mehr verlangen. Vielleicht erleben wir noch die Rückkehr jener berauschenden Zeiten, als der Diplomatische Dienst im wesentlichen die Aufgabe hatte, als Tarnung für ihre Aktivitäten herzuhalten.«
    »Sind die Amerikaner informiert?«
    »Nein, und das soll auch so bleiben. Außer uns soll niemand von Osnards eigentlicher Funktion erfahren.«
    Stormont verdaute das noch, als Francesca das Wort ergriff. Fran war eine praktisch denkende Frau. Manchmal zu praktisch.
    »Wird er hier in der Botschaft arbeiten? Ich meine, wird er körperlich hier anwesend sein?«
    Für Francesca hatte Maltby eine andere Stimme und auch eine andere Miene, die irgendwo zwischen belehrend und zärtlich angesiedelt war.
    »Ganz recht, Fran. Körperlich und auch sonst.«
    »Wird er Mitarbeiter haben?«
    »Man hat uns gebeten, ihm einen Assistenten beizustellen, Fran.«
    »Männlich oder weiblich?«
    »Ist noch zu entscheiden. Zwar nicht, nehme ich an, von der betreffenden Person selbst, aber das kann man heutzutage auch nicht so genau wissen.« Kichern.
    »Welchen Rang bekleidet er?« Die Frage kam von Simon Pitt.
    »Rang? Bei den Freunden , Simon? Sehr witzig. Ich sehe das so, daß ihre Stellung ein Rang für sich ist. Sie nicht? Da sind einmal wir alle. Und dann sind da sie alle. Wahrscheinlich sehen die das anders. Er ist

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