Der Schneider
runterspülen und dann den Kirsch nehmen.
Zu welchem Zeitpunkt würde die Botschaft von Osnards Erkenntnissen erfahren? fragte Stormont. Bevor sie nach London übermittelt würden? Danach? Niemals?
»Mein Chef sagt, hiesige Instanzen dürfen nur mit seiner Zustimmung einbezogen werden«, antwortete Osnard mit vollem Mund. »Heidenangst vor Washington. Will Informationen nur persönlich weitergeben.«
»Können Sie damit leben?«
Osnard nahm einen Schluck Roten und schüttelte den Kopf »Unternehmen Sie was dagegen, rate ich Ihnen. Gründen Sie eine botschaftsinterne Arbeitsgruppe. Sie, der Botschafter, Fran und ich. Gully ist vom Verteidigungsministerium, gehört also nicht zu uns. Pitt ist bloß auf Probe da. Stellen Sie eine Unterweisungsliste auf, alle Beteiligten erklären sich damit einverstanden, Treffen nur außerhalb der Dienststunden.«
»Wird Ihr Chef das tolerieren, wer auch immer er ist?«
»Sie schieben, ich ziehe. Er heißt Luxmore, soll ein Geheimnis sein, nur jeder weiß es. Sagen Sie dem Botschafter, er soll auf den Tisch hauen. ›Der Kanal ist eine Zeitbombe. Es muß unbedingt sofort hier vor Ort reagiert werden können.‹ Irgend so einen Scheiß. Er wird’s schon schlucken.«
»Der Botschafter haut nie auf den Tisch«, sagte Stormont.
Aber auf irgend etwas mußte Maltby gehauen haben, denn nach einer Flut ablehnender Telegramme, die in der Regel spät nachts per Hand dekodiert werden mußten, erhielten Osnard und Stormont von ihren jeweiligen Dienstherren widerwillig die Erlaubnis, gemeinsame Sache zu machen. In der Botschaft wurde eine Arbeitsgruppe mit dem harmlos klingenden Namen Isthmus gegründet. Aus Washington flog ein Trio mißmutiger Techniker ein, die drei Tage lang die Wände abhorchten und sie schließlich für taub erklärten. Und an einem turbulenten Freitagabend um sieben war es soweit: Im trüben Licht einer scheußlichen Lampe versammelten sich die vier Verschwörer um den Tropenteak-Konferenztisch der Botschaft; sie hatten es schriftlich, daß ihnen die Geheimakte BUCHAN zugänglich gemacht würde und sie von der Quelle BUCHAN im Rahmen einer Operation mit dem Decknamen BUCHAN unterrichtet werden sollten. Die Feierlichkeit des Augenblicks wurde etwas gedämpft von einem humoristischen Ausbruch Maltbys, den er hinterher dem vorübergehenden Aufenthalt seiner Frau in England zuschrieb:
»Von jetzt an ist BUCHAN amtlich, die Sache läuft, Sir«, erklärte Osnard leichthin, als er wie ein Croupier, der die Chips zusammenharkt, die unterschriebenen Formulare einsammelte. »Die Quelle sprudelt reichlich. Vielleicht sollten wir uns öfter als einmal die Woche treffen.«
»Was tut die Sache, Andrew?« fragte Maltby und legte geräuschvoll seinen Kugelschreiber hin.
»Sie läuft.«
»Sie läuft?«
»Sag ich doch, Botschafter. Sie läuft.«
»Ja. Ganz recht. Vielen Dank. Nun, von jetzt an, wenn Sie gestatten, Andrew, hat sich die Sache – um mich Ihrer Ausdrucksweise zu bedienen – ausgelaufen . BUCHAN mag sich in Gang befinden. Er mag sogar in vollem Gange sein. Er mag in Betrieb oder notfalls auch auf Touren sein. Aber solange ich Botschafter bin, wird er niemals laufen , wenn ich bitten darf. Das wäre mir zu stressig.«
Hinterher lud Maltby, Wunder über Wunder, die ganze Mannschaft zu Eiern mit Schinken und einer Runde im Swimmingpool in die Residenz; nach einem Toast auf »die Buchanianer« führte er die Gäste in den Garten, wo sie seine Schildkröten bewunderten, deren Namen er ihnen durch den Verkehrslärm zubrüllte: »Na komm, Herkules, hopphopp! – glotz die Dame nicht so an, Galileo, hast du noch nie ein hübsches Mädchen gesehen?« Und als sie schwammen, herrlich bei einbrechender Dämmerung, verblüffte Maltby die Anwesenden ein weiteres Mal, indem er Fran mit dem Jubelruf »Gott, was für eine schöne Frau!« hochleben ließ. Zur Krönung des Abends bestand er darauf, Tanzmusik zu spielen, und ließ von seinen Hausdienern die Teppiche aufrollen, wobei Stormont nicht entging, daß Fran mit jedem tanzte, nur nicht mit Osnard, der sich demonstrativ den Büchern des Botschafters widmete, deren Titel er, die Hände auf dem Rücken wie ein englischer Prinz beim Abschreiten der Ehrengarde, einen nach dem anderen entzifferte.
»Findest du nicht auch, daß Andy ein wenig seltsam ist?« fragte er Paddy bei einem letzten Drink. »Soweit man weiß, geht er niemals mit Mädchen aus. Und Fran behandelt er, als ob sie die Pest hätte.«
Stormont dachte, sie bekäme
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