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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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wieder einen Hustenanfall, aber sie lachte nur.
    » Darling «, murmelte Paddy und verdrehte die Augen. » Andy Osnard? «
    Eine Ansicht, der Francesca Deane, hätte sie sie in Osnards Bett in dessen Wohnung in Paitilla hören können, aus vollem Herzen zugestimmt hätte.
     
    Wie sie dort hingekommen war, war ihr ein Rätsel, freilich schon seit zehn Wochen.
    »Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie man sich in dieser Situation verhalten kann, Mädchen«, hatte Osnard ihr mit der ihm eigenen Selbstsicherheit bei Grillhähnchen und kühlem Bier am Pool des El Panama erklärt. »Möglichkeit A. Sechs Monate lang verkrampft abwarten, dann einander brünstig in die Arme sinken. ›Liebling, warum haben wir das nicht schon viel früher getan, keuch, keuch?‹ Möglichkeit B, die bessere, auf der Stelle losvögeln, absolutes Stillschweigen bewahren, sehen, wie’s uns gefällt. Gefällt es uns, na prima. Wenn nicht, lassen wir’s bleiben, und keiner hat was gemerkt. ›Hab’s probiert, hat keinen Spaß gemacht, danke für die Auskunft. Das Leben geht weiter. Basta.‹«
    »Es gibt auch noch Möglichkeit C.«
    »Die wäre?«
    »Enthaltung zum Beispiel.«
    »Ich soll mir also einen Knoten reinmachen, und du nimmst den Schleier?« Er wies mit einer gutgepolsterten Hand über die Hotelterrasse, wo zur Musik einer Live-Band alle möglichen jungen Luxusgeschöpfe mit ihren Verehrern flirteten. »Wir sind hier auf einer einsamen Insel, Mädchen. Der nächste weiße Mann ist tausend Meilen weit weg. Nur du und ich und unser Dienst für England, bis nächsten Monat meine Frau nachkommt.«
    Francesca war halb aufgesprungen. Sie schrie ihn an: »Deine Frau!«
    »Hab gar keine. Nie eine gehabt, und will auch keine«, sagte Osnard, sich ebenfalls erhebend. »Demnach dürfte unserem Glück jetzt nichts mehr im Weg stehen, also was zierst du dich noch?«
    Während sie noch nach einer Antwort suchte, tanzten sie schon, und gar nicht schlecht. Sie hätte nie gedacht, daß ein so massig gebauter Mann sich so leichtfüßig bewegen konnte. Oder daß so kleine Augen so unwiderstehlich sein konnten. Und wenn sie ehrlich war, hätte sie auch nie gedacht, daß ihr ein Mann gefallen konnte, der, um das mindeste zu sagen, nicht gerade wie ein Adonis aussah.
    »Dir ist wohl gar nicht erst in den Sinn gekommen, daß mir ein anderer wesentlich lieber sein könnte?« fragte sie.
    »In Panama? Ausgeschlossen, Mädchen. Hab mich nach dir erkundigt. Die Männer hier nennen dich den englischen Eisberg.«
    Sie tanzten eng umschlungen. Es schien sich ganz von selbst zu verstehen.
    »Kein Mensch nennt mich so!«
    »Wollen wir wetten?«
    Sie tanzten noch enger.
    »Und zu Hause?« hakte sie nach. »Woher willst du wissen, daß ich in Shropshire keinen Geliebten habe? Oder von mir aus auch in London?«
    Er küßte ihre Schläfe, es hätte aber auch jeder andere Körperteil sein können. Seine Hand lag vollkommen reglos auf ihrem Rücken, und ihr Rücken war nackt.
    »Das nützt dir hier draußen auch nicht viel, Mädchen. Befriedigung über fünftausend Meilen hinweg? Das glaubst du doch selbst nicht.«
    Es war nicht so, daß sie sich von Osnards Argumenten hatte überzeugen lassen, versuchte Fran sich einzureden, als sie den gutgenährten Schläfer neben sich betrachtete. Oder daß er der beste Tänzer der Welt war. Oder daß er sie öfter und lauter zum Lachen gebracht hatte als jeder andere, den sie kannte. Es war einfach so, daß sie sich nicht vorstellen konnte, ihm auch nur einen Tag, geschweige denn drei Jahre, Widerstand zu leisten.
    Sie war vor sechs Monaten nach Panama gekommen. In London hatte sie die Wochenenden mit einem beängstigend gutaussehenden Börsenmakler namens Edgar verbracht. Als sie dann versetzt wurde, betrachteten sie die Affäre in beiderseitigem Einvernehmen als beendet. Bei Edgar geschah alles in beiderseitigem Einvernehmen.
     
    Aber wer war Andy eigentlich?
    Fran, die nur soliden Quellen vertraute, hatte noch nie mit jemandem geschlafen, über den sie sich nicht vorher informiert hatte.
    Sie wußte, daß er in Eton gewesen war, aber nur weil Miles es ihr erzählt hatte. Osnard, der sein altes College zu hassen schien, sprach in diesem Zusammenhang nur von »Gefängnis« oder »Tretmühle«. Im übrigen vermied er jeden Hinweis auf seine Ausbildung. Sein Wissen war durchaus fundiert, aber eigenwillig, wie man es bei jemandem erwarten würde, dessen schulische Laufbahn abrupt geendet hatte. Wenn er betrunken war, berief er sich

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