Der Schneider
nicht daran gewöhnt hatten, daß sie in Panama keine Köpfe mehr einschlagen konnten.
Und London war aufs äußerste erregt, dort wurden an allen möglichen befremdlichen Orten und aus längst vergangenen Zeiten Belegmaterial ausgegraben, und man stellte kuriose Betrachtungen darüber an, wessen Ambitionen auf globale Macht den Sieg davontragen würden, denn über dem armen kleinen Panama versammelten sich, wie BUCHAN es ausdrückte, sämtliche Geier der Welt, und wer schließlich die Beute wegschleppen würde, sei noch völlig offen. Und London verlangte unablässig nach mehr , mehr , was Andy wütend machte, denn man könne, sagte er, ein Netzwerk ebenso überfordern wie einen Windhund: am Ende müssen beide dafür bezahlen, der Hund und man selbst. Aber das war auch schon alles, was er ihr erzählte. Im übrigen war er die Verschwiegenheit selbst, und das bewunderte sie.
Und all das in zehn kurzen Wochen und ohne Anlauf, genau wie ihre Liebesaffäre. Andy war ein Zauberer, er faßte Dinge an, die seit Jahren herumlagen, und erweckte sie zu faszinierendem Leben. Auch Fran faßte er auf diese Weise an. Aber wer war BUCHAN? Wenn Andy durch BUCHAN definiert wurde, wer definierte dann BUCHAN?
Warum sprachen BUCHANs Freunde so offen mit ihm? War BUCHAN Psychiater? Arzt? Oder gar eine Frau? Irgendeine raffinierte Schnepfe, die ihren Liebhabern mit lüsternen Tricks Geheimnisse aus der Nase zog? Wer war das, der immer schon nach fünfzehn Sekunden auflegte, wenn er Andy anrief, so daß er kaum noch »Ich komme« sagen konnte? War es BUCHAN selbst, oder ein Mittelsmann, ein Student, ein Fischer, ein Kontaktagent, irgendeine besondere Verbindungsperson im Netzwerk? Wo ging Andy hin, wenn er, wie von einer übernatürlichen Stimme gelenkt, mitten in der Nacht aufstand, sich in seine Kleider warf, aus dem Wandtresor hinterm Bett einen Packen Dollarscheine nahm und sie ohne ein Abschiedswort dort liegen ließ, um dann im Morgengrauen, verärgert oder in bester Stimmung, nach Zigarrenqualm und Weiberparfüm stinkend, wieder zu ihr hereinzuschleichen? Und dann, immer noch ohne ein Wort, mit ihr zu schlafen, endlos, wunderbar, unermüdlich, stundenlang, jahrelang, sein dicker Leib schwerelos über ihr, neben ihr, überall, ihr einen Höhepunkt nach dem andern schenkend, etwas, das Fran bis dahin nur in ihrer Schulmädchenfantasie erlebt hatte?
Und welchen alchimistischen Übungen gab sich Andy hin, wenn ihm an der Haustür ein ganz gewöhnlich aussehender brauner Umschlag übergeben wurde und er sich damit für eine halbe Stunde im Badezimmer einschloß und es dann hinterher nach Kampfer stank, oder war es Formaldehyd? Was sah Andy, wenn er mit einem feuchten Filmstreifen, nicht breiter als ein Bandwurm, aus der Besenkammer zurückkehrte, damit an seinen Schreibtisch ging und ihn in das Microfiche-Lesegerät einlegte?
»Solltest du das nicht besser in der Botschaft machen?« fragte sie ihn.
»Keine Dunkelkammer, keine Fran«, antwortete er in dem gelangweilten, verächtlichen Tonfall, den sie so unwiderstehlich fand. Was für ein perfekter Grobian er nach diesem Edgar war! – wie einfallsreich, wie hemmungslos, wie unerschrocken !
Sie beobachtete ihn auf den BUCHAN-Sitzungen: unser Ober-Buchanianer, selbstbewußt an den langen Tisch gelümmelt, eine verträumte Stirnlocke über dem rechten Auge, teilte er seine grell gestreiften Aktendeckel aus und starrte dann ins Leere, während alle außer ihm selbst zu lesen anfingen – BUCHANs Panama auf frischer Tat ertappt:
Antonio Soundso vom Außenministerium hat kürzlich gestanden , seine kubanische Mätresse habe ihm so den Kopf verdreht , daß er sich allen US-amerikanischen Einwänden zum Trotz mit ganzer Kraft für die Verbesserung der panamaisch-kubanischen Beziehungen einzusetzen gedenke …
Wem hatte er das gestanden? Seiner kubanischen Mätresse? Und die hatte es BUCHAN verraten? Oder hatte sie es unmittelbar Andy verraten – im Bett womöglich? Sie mußte wieder an das Parfüm denken und stellte sich vor, wie es von nackten Leibern auf ihn übertragen wurde. Ist Andy BUCHAN? Nichts war unmöglich.
Soundso hat auch Beziehungen zur libanesischen Mafia in Colón , von der es heißt , sie habe für den Status als » begünstigte Nation « innerhalb der Verbrecherwelt von Colón zwanzig Millionen Dollar bezahlt …
Und nach kubanischen Mätressen und libanesischen Gangstern macht BUCHAN einen Sprung in den Kanal:
Das Chaos innerhalb der neu
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