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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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auf.
    Ihr Herz raste.
    Die Erinnerung war so greifbar gewesen, dass sie gemeint hatte, wirklich im Wald zu sein.
    Aber das hier war kein Wald.
    Es war auch nicht die Galerie.
    Sie lag unter einer Brücke. Über ihr rauschten vereinzelt Autos entlang, und das vertraute Murmeln des Wassers fing sich unter den massiven Trägern der Betondecke. Das war nicht irgendeine Brücke, das war Gandalfs Brücke!
    Ich träume, dachte sie. Schloss die Augen. Öffnete sie wieder.
    Sie lag immer noch unter der Brücke.
    Ihr Herz machte einen Sprung. Mit einem Ruck richtete sie sich auf. Die jähe Bewegung ließ ihren Kreislauf augenblicklich absacken. Sterne tanzten vor ihren Augen.
    Sie war nackt, in einen Schlafsack eingewickelt. Ihre Klamotten hingen in den Zweigen bei der Brücke. Unter ihr lag eine zerschlissene Isomatte. Links von ihr stapelten sich ein paar alte Plastiktüten, von denen der Aufdruck stellenweise abgerieben war, dazwischen stand ein uraltes Transistorradio mit abgeknickter Antenne.
    Gandalfs Radio. Sie war wirklich bei Gandalf!
    Aber weshalb? Das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, war, dass sie Tabletten geschluckt hatte. Er musste sie freigelassen haben.
    Sie verstand nur nicht, warum. Gehörte das etwa alles zu einem grausamen Spiel? In ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander, wie ein Mobile im Sturm. Außerdem hatte sie höllischen Durst.
    Sie durchwühlte die erstbeste Tüte und fand eine zerbeulte Plastikflasche mit Wasser sowie eine fast leere Flasche Johnny Walker. Laura setzte das Wasser an die Lippen und trank so gierig, dass die Flasche sich knackend nach innen beulte. Danach kam der Johnny Walker – bis zum Boden. Leider nicht mehr als vier Zentimeter. Der Whiskey brannte wohlig in ihrer Kehle, bevor er in ihrem Magen versickerte wie in einer trockenen Pfütze.
    Das Mobile wollte und wollte sich nicht beruhigen. Nichts als verhedderte Fäden. Für einen Moment fragte sie sich, ob die Galerie nur ein Hirngespinst gewesen war. Das alles kam ihr vor wie ein grotesker Alptraum.
    »Biste endlich wach«, ertönte eine kehlige Stimme hinter ihr.
    Laura fuhr herum. Der Mann hatte tiefe Furchen im Gesicht und einen grauen Vollbart, man hätte ihn leicht auf Mitte sechzig schätzen können, dabei war er gut zehn Jahre jünger. Er trug einen grünen Parka, eine um die Beine schlotternde Bundfaltenhose mit bräunlichem Fischgrätenmuster und einen fleckigen beigen Pullover. In den Falten seines Gesichts und seiner Kleidung sammelte sich Schmutz, seine Augen waren stumpf, so wie seine schütteren langen grauen Haare.
    »Gandalf«, stöhnte Laura.
    »Hab dich erst gar nich erkannt«, nuschelte Gandalf. »Die Haare und so …«
    »Warst du das?« Laura nickte in Richtung ihrer Klamotten.
    »Hast gezittert«, brummte Gandalf. »Hat ja geschifft wie Sau.«
    Laura nickte, obwohl sie sich nicht im Geringsten erinnern konnte. »Danke.«
    Gandalf zwirbelte an seinem Bart, der ihm seinen Spitznamen eingebracht hatte; Gandalf der Graue.
    »Wie bin ich hierhergekommen?«
    »Hab dich gefunden. Im Unigarten.«
    »Ah.« Unigarten. Immer noch nichts. Nicht der kleinste Fetzen Erinnerung. »War da noch jemand? Hast du jemand gesehen?«
    »Nee.«
    Laura zog die Stirn kraus.
    »Alles klar?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Gandalf kratzte sich am Hals und wartete, ob noch mehr kam. Falls nicht, würde er es dabei belassen. Lauras Blick strich nervös über die Einkaufstüten. Ihr Magen brannte, und ihre Kehle verlangte nach mehr. Ob Gandalf wohl …
    Sie schluckte und zwang sich, den Gedanken beiseitezuschieben. »Mich hat einer entführt.«
    Gandalfs Augen wurden groß. »Wegen Kohle?«
    Laura musste wohl oder übel lachen. Es klang heiser und mitgenommen. »Das wär’s noch. Ich stell mir vor, wie das arme Schwein bei meinen Eltern anruft und Geld haben will, und meine Mutter sagt: ›Behalt sie doch, ist mir ohnehin lieber‹, und dann legt sie auf.«
    Gandalf kicherte. Er kannte die Geschichten von Laura zur Genüge. Das Internat, die Diebstähle, das Heim, die Klinik.
    »Nee«, sagte Laura und wurde wieder ernst. »Das war ein Psycho.«
    »Psycho«, wiederholte Gandalf. Die stumpfen Augen in seinem müden Gesicht waren plötzlich wach. »Ein gefährlicher Psycho?«
    Laura nickte. Die Frage war, weiß Gott, berechtigt. Auf der Straße gab es fast nur Psychos, doch die meisten waren relativ ungefährlich, wie Gandalf zum Beispiel. »Einer, der Frauen umbringt. So einer.«
    »Und du bist abgehauen.«
    »Das ist ja das

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