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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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legte das Kinn auf seine Pranken und schlief ein. »Gut«, kommentierte Kate. »Ich habe damit gerechnet, daß er Sie mag. Nicht etwa, daß das Sie zu einem Sonderfall erhöbe. Hatten Sie übrigens schon durch Ina von ihm erfahren? Waren Sie deshalb so wenig überrascht?«
    »Sie glauben, ich hätte keinen Schreck bekommen? Sie sagte, daß Sie eine Katze besäßen, also dachte ich. Egal. Jetzt ist's mir klar.«
    »Was ist Ihnen klar?«
    »Weshalb Sie in KC bleiben, statt sich die Welt anzusehen. Sie müssen ja sehr an ihm hängen.«
    »Nicht allzu arg. Manchmal ist er wirklich eine Last. Aber als ich sechzehn war, habe ich versprochen, für ihn die Verantwortung zu übernehmen, und mein Wort gehalten. Er ist jetzt steinalt, länger als noch eineinhalb Jahre macht er's nicht, also… Trotzdem, Sie haben recht. Vater besaß eine Sondererlaubnis für Inlandstransporte unter Naturschutz befindlicher Tierarten, aber ich bekäme natürlich so etwas nie, gar nicht davon zu reden, ich könnte anderswo mit ihm einziehen. Naja, aber man kann doch nicht gerade behaupten, ich wäre durch ihn vollkommen gebunden. Ich kann mal für ein bis zwei Wochen Urlaub machen, die Mädchen, die unten wohnen, füttern ihn dann und gehen mit ihm spazieren, aber das ist für ihn auch schon fast das Äußerste, und zum Schluß wird er meistens gereizt, so daß ich heimkehren muß. Damit verärgere ich jedesmal meine Bekanntschaften. - Hier entlang.« Sie führte ihn ins Wohnzimmer. Meterhohe, mit freier Hand gemalte ägyptische Hieroglyphen zierten drei der Wände; die vierte Wand war mit weißer Farbe gestrichen. »Ich mache sie weg«, sagte Kate. »Der Text stammt aus dem Buch der Toten. Vierzigstes Kapitel, das kam mir irgendwie passend vor.«
    »Leider habe ich nie.« Seine Stimme sank herab und verstummte.
    »Wallis Budge hat ihm die Überschrift >Kapitel über die Abwehr des Hinterteilverschlingers< gegeben. Das ist kein Witz. Aber ich habe wohl keine so nachdrückliche Abwehr nötig.« Sie lächelte spöttisch. »Jedenfalls wissen Sie nun, worum es sich handelt, wenn Sie mir helfen.«
    Kein Wunder, daß sie bedeckt war von Staub. In der ganzen Wohnung sah es aus wie nach dem Großen Bay-Beben. Mitten auf dem Fußboden waren drei Stapel von Gegenständen aufgeschichtet, voneinander durch Kreidestriche getrennt. Ein Haufen umfaßte für die Wohlfahrt geeignete Dinge, zum Beispiel noch nicht bis zur Untauglichkeit abgetragene Kleidungsstücke; ein Stapel bestand aus Ausschuß, darunter dem vorjährigen Stereo-Plattenspieler, der abgenutzten Schreibmaschine und ähnlichem; der dritte Stapel war nur Müll, jedoch grob unterteilt in reinen Abfall und recyclingfähiges Zeug. Überall waren Regale ausgeräumt, standen Schränke offen, Kisten und Schachteln waren die Deckel geöffnet worden. Das Wohnzimmer bot Aussicht nach Süden, und durch große, offenstehende Fenster schien die Sonne herein. Ein lauer Wind wehte die Gerüche der Stadt ins Haus. Er war hilfsbereit, also zog er sein Hemd aus und hängte es über den nächstbesten Sessel. »Was soll ich tun?« erkundigte er sich.
    »Was ich Ihnen sage. Hauptsächlich können Sie mir bei den schwereren Sachen helfen. Ach, und noch was. Unterdessen erzählen Sie mir etwas über Sie selbst.« Er nahm sein Hemd und machte Anstalten, es wieder anzuziehen. »Na schön, dann nicht«, gestand sie ihm mit einem übertriebenen Seufzer zu. »Also seien Sie mir bloß behilflich.«
    Zwei schweißerfüllte Stunden später war die Arbeit getan, und er wußte einiges über sie, das er sich noch nicht zusammengereimt hatte. Dies war die neueste von vielleicht fünf, möglicherweise sechs alljährlichen Beseitigungen dessen, was von einer Gegenwart zur Vergangenheit zu werden drohte, mitsamt allem, was das bedeutete: umständliche, hinderliche Selbstbeschäftigung zeitraubender Art mit Gegenständen auf Kosten von Erinnerungen. Zusammenhanglos plauderten sie während ihrer Tätigkeit; vornehmlich so, daß er fragte, ob sie dies oder das behalten wolle, und sie antwortete ja oder nein, und aus der Art und Weise ihrer Entscheidungen vermochte er sich ein ungefähres Bild ihrer Persönlichkeit zurechtzulegen. Und am Ende war er mehr als nur ein bißchen aufgewühlt! Das Mädchen war nicht im Tarnover. Dies Mädchen ist sechs Jahre jünger als ich, und doch… Hier stockte sein Gedanke. Ihn weiterzudenken, das hätte geheißen, den Finger in eine Flamme zu halten, um festzustellen, wie es sich anfühlt, lebendig zu

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