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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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bekommen.» Sie setzte sich abrupt.
    Alle verstummten. Sie sahen, daß Lord Cazalay nachdachte. Sein blitzschneller Geist, der in so viele obskure politische Angelegenheiten Licht gebracht hatte, versuchte die unumgängliche erste Frage zu entscheiden: «Wo liegt der Vorteil für mich?» Eine unverheiratete Tochter ließ auch auf ihn einen Schatten fallen, besonders wenn das Unglück so offensichtlich nicht auf mangelndes Bemühen zurückzuführen war. Er hatte Marias Versagen auf diesem Gebiet nie verstanden. Er nahm an, sie sei vernünftig genug, um sich nicht von einem ausgesprochenen Schurken hereinlegen zu lassen. Vielleicht war es das beste, nachzugeben. Außerdem setzte sie ohnedies letzten Endes meist ihren Willen durch. Die Tür ging auf, und Lady Cazalay erschien mit sprudelndem Italienisch.
    «So halt den Mund, um Gottes willen!» sagte Lord Cazalay. «Charles, hol den Doktor zurück!»
    Sie fanden Graham zigarettenrauchend neben dem Teich sitzen. Maria meinte, er habe sich vielleicht hineinstürzen wollen, was eine nette Geste abgegeben hätte, obgleich das Wasser nur einen Meter tief war. Im Arbeitszimmer schüttelte ihm Lord Cazalay herzlich die Hand und erklärte seine Gereiztheit von vorhin als Folge des Schocks - was Graham als Mediziner leicht verstehen würde. Das Haus brach in Trubel aus. Alle gratulierten ihm herzlich, sogar Marias Brüder, die in allem der Meinung ihres Vaters folgten, und der Innenminister, der den Romanen Elinor Glyns folgte. Den Dienern wurde befohlen, Champagner zu servieren. Das Auf und Ab von Gefühlen ließ Graham wie betäubt zurück, bis er sich endlich ins Bett retten konnte, wo er entdeckte, daß er noch immer keinen Kragen trug.
    Sie sollten im September heiraten, so elegant, gesellschaftlich und religiös wie nur möglich. Graham wurde auf der Straße von Reportern aufgehalten, sein Bild erschien in den Illustrated London News, Punch machte einen etwas schwerfälligen Witz. Der Professor war entzückt, vor allem über diese Wendung in finanzieller Hinsicht, Tante Doris war im siebenten Himmel. Dr. Whitehead versprach, beim Empfang vorbeizuschauen. Die beiden sollten ihre Flitterwochen an der Riviera und die erste Nacht in Dover verbringen. Es war Graham nie eingefallen, vorher irgendwelche Ansinnen an Maria zu stellen. Als sie sich in dem Hotel in Dover, auszog, entdeckte er, daß sie wirklich ziemlich viele Muttermale hatte, von einem Ende ihres mageren Rumpfes bis zum anderen.

14

    Das aufregendste Ereignis von Grahams Hochzeitsreise war seine Entdeckung, daß das Mittelmeer wirklich keine Gezeiten hatte. Er hatte nie an diesen Unterschied gegenüber weniger anspruchsvollen Gewässern geglaubt. Hier aber bespülten die Wellen den ganzen Tag lang regelmäßig wie ein Pulsschlag ein und denselben schmutzigen, steinigen Sandstreifen. Er kam sich vor wie Galilei, der eine neue astronomische Beobachtung machte.
    Es waren wundervolle Ferien, die schönsten seines Lebens und die ersten im Ausland. Es faszinierte ihn, die Leute französisch schnattern zu hören, die zerbrechlich aussehenden Münzen mit einem Loch in der Mitte anzufassen, Briefe mit farbenfrohen, komplizierten Marken statt der würdevoll einfarbigen Züge des britischen Königs aufzugeben. Er zeigte gehöriges wissenschaftliches Interesse an dem Aquarium unter Prinz Alberts Schloß und an den Pflanzen des Jardin Exotique am Hügelhang. Er war von der makellosen Künstlichkeit des Kasinoplatzes beeindruckt, der mit Blumen so vollgestopft war wie der Karren eines Londoner Händlers und auf dem selbst die Roßäpfel aus irgendeinem synthetischen und durchaus nicht widerlichen Material gemacht zu sein schienen. Er gewöhnte sich leicht an das Essen und die Aufmerksamkeit, mit der man sie im Hotel de Paris überschüttete, und sonst gab es kein Highlife, das ihn auf die Probe gestellt hätte. Nach den Aufregungen der Hochzeit erklärte seine Frau, sie brauche Ruhe. Außerdem langweilten sie Glücksspiele. Graham zeichnete sie jeden Morgen auf der Terrasse des Kasinos und organisierte jeden Nachmittag Picknicks in den Bergen. Sie war immer fröhlich, elegant und eine reizende Kameradin. Das Meer blieb blau und das Wetter liebenswürdig.
    Bald war klar, warum Maria so lange auf den obersten Zweigen des Heiratsbaumes gereift war. Ihre Promiskuität in London war jungfräulich gewesen. Sie war frigid.
    Jede Nacht lag die Festung unverteidigt und zur Übergabe bereit, aber die Tore trotzten dem Sturmbock. Es war

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