Der Schönheitschirurg
Kulissen verdammt, eine freudlose Aussicht. Sie war bereits vierunddreißig. Graham sagte sie, sie sei neunundzwanzig, aber sie wußte, daß er ihr nicht glaubte. Er war zu allem anderen ein bewundernswert scharfsichtiger junger Mann.
Am Ostermontag lud sie ihn nach dem Tee ein, die Palmenhäuser zu besichtigen. Sie wußte, daß sie sie als Verlobte verlassen würde. Wenn sie sich einmal fest zu einer Sache entschlossen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, daß ihr irgend etwas dazwischenkommen sollte.
An diesem Abend saß Graham beim Abendessen Marias Vater gegenüber. Er wartete auf eine Gelegenheit, ihn um seinen offiziellen Segen zu bitten. Er fühlte sich nicht nur von den Ereignissen des Nachmittags überwältigt, sondern äußerst unbehaglich. Die Spitzen seines Frackkragens stachen in seinen Hals. Das bevorstehende Gespräch nahm ihm den Appetit, verschärfte aber seinen Durst. Er war erhitzt und verwirrt. Zwar sagte er sich, daß er es nicht nötig habe, sich Mut anzutrinken. Schließlich hatte er all das schon einmal erlebt. Allerdings war der Fleischer aus Ramsgate ein einfaches Hindernis gewesen, Lord Cazalay hingegen eher ein Fallgatter.
Graham beobachtete den Mann über den Tisch hinweg. Er sprach angeregt, klopfte auf den Tisch, sein Gesicht war dunkelrot, seine gestärkte Hemdbrust knisterte, als könne sie die Leidenschaft, die in seinem Busen wogte, nicht fassen. Graham hatte den Versuch aufgegeben, der Diskussion zu folgen, einem komplizierten kritischen Ausfall über irgendein heikles parteipolitisches Problem. Leute, die es wußten oder zu wissen vorgaben, stellten Lord Cazalay als Meister der Intrige noch über Lloyd George, der, wie sie durchblicken ließen, nur auf Grund eines raffinierten Zuges in Cazalays Verrat an Asquith Premierminister geworden sei. Sie flüsterten, daß Cazalay aus Haß gegen Churchill nicht nur erbarmungslos den Untergang der Dardanellenexpedition herbeigeführt, sondern aus Feindschaft gegen Kitchener auch ebenso erbarmungslos den Untergang der Hampshire arrangiert habe. Es fiel Graham leicht, sich hinter einer äußeren Erscheinung, die im Augenblick einem unerwartet in ein Wespennest geratenen Affen glich, solche Wildheit vorzustellen. Über die Intelligenz, die ihn so weit gebracht hatte, die Geschicke des Landes im Kabinett zu kommandieren, konnte er sich kein Urteil bilden. Die Bemerkungen, die Lord Cazalay bei ihren wenigen Begegnungen an ihn gerichtet hatte, waren höflich, formell, kurz und völlig automatisch gewesen.
Lord Cazalay stellte seinen Portwein und seine Pointen ab, drückte seine Zigarre und seinen empörten Gesichtsausdruck aus und erhob sich. Die Dinner-Party war so wenig formell, wie etwas in seiner Gesellschaft nur sein konnte. Gaham sah bestürzt, daß sein Gastgeber diesmal nicht mit den Damen gehen würde. Er strebte vielmehr einer verschalten Tür zu, die in sein Arbeitszimmer führte, und zeigte mit dem Ruf «Hierher, Arthur!» an, daß er mit einem Ministerkollegen sprechen wollte. Graham hielt sich an seinem Stuhl fest. Er hatte nur diesen einen Abend, um die Sache zu erledigen, und nicht damit gerechnet, sich den Vortritt vor dem Innenminister erzwingen zu müssen. Sein Entschluß war vom Wein bestärkt, er schob sich vor und bat: «Darf ich Sie einen Augenblick sprechen, Sir?»
Lord Cazalay sah ihn überrascht an, lächelte aber schnell. «Es hat doch Zeit bis morgen früh, junger Mann. Sie bleiben ja über Nacht, hoffe ich?»
«Es ist wegen Maria.»
Lord Cazalay nahm wieder seinen affenartigen Ausdruck an. «Was ist mit Maria?» Da Graham nicht fähig war, ihm zu antworten, fegte das Gehirn des Politikers geschäftig einen Stoß von Verdachtsmomenten zusammen. «Würdest du bitte einen Augenblick warten, Arthur?» brummte er.
«Unser junger Freund scheint recht wichtige Informationen zu haben», lächelte der andere Politiker. «Wenn wir ihn kochen lassen, könnten sie vielleicht verdampfen.»
«Charles! Henry!» Lord Cazalay schnalzte mit den Fingern, um seine beiden Söhne herbeizurufen, von denen Graham keinen besonders gut kannte, da beide zusammen kaum ein einziges Mal mit ihm gesprochen hatten. «Und du, George», fügte er hinzu, indem er sich an den Sekretär wandte, den Graham mit der roten Aktentasche gesehen hatte. Sie alle gingen ins Arbeitszimmer. Lord Cazalay ging vor dem Kamin in Kampfstellung. «Also — was soll das mit Maria?» sagte er mit gerunzelter Stirn.
Das war nicht die Szene, die Graham sich
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