Der Schönheitschirurg
für beide höchst erschöpfend. Als sie zu wissen verlangte, warum gerade sie von dieser Unfähigkeit gequält sei, erklärte ihr Graham geduldig, es sei eine Art Krampf, wie beim Schwimmen. Eine Form der Hysterie, fügte er höchst unvorsichtig hinzu, denn sie erklärte ihm sehr streng in der Dunkelheit, sie sei keineswegs hysterisch.
«So war das auch gar nicht gemeint, mein Liebling», entschuldigte er sich. «Aber du darfst dir keine Sorgen machen. Das macht es nur schlimmer. Du ängstigst dich, daß du es nicht kannst, dann ängstigst du dich, weil du dich ängstigst, daß du es nicht kannst. Verstehst du?»
Sie verstand sehr gut. Es beunruhigte sie seit Jahren, viel mehr als ihre Muttermale. So viele Männer hatten versucht, sie zu lieben, und sich dann verletzt und verwirrt zurückgezogen, daß sie schließlich unwillkürlich begonnen hatte, sie aus ihrem Leben auszustoßen, sobald sie fühlte, daß sie sich zu einem Versuch rüsteten. Aber sie erwartete, daß Graham mit seiner Kenntnis des weiblichen Beckens anders sein würde. Zwar hatte sie einen Wirbel befürchtet, in der Erinnerung an einen Roman, in dem eine ähnliche Hochzeitsreise damit endete, daß der Gatte seine Frau im Zorn erwürgte.
Graham regte sich nicht allzusehr auf. Man konnte kaum vor der Ehe einen Austausch intimer Geheimnisse erwarten. Schließlich hatte er ihr auch nichts von Edith gesagt.
«Aber was können wir tun ?» begehrte sie auf.
«Wir können nur beharrlich weiter versuchen.»
Er versuchte es sofort wieder, aber es ging noch immer nicht. Er versuchte es in der darauffolgenden Nacht, mehrere Male. Er versuchte es, nachdem der Kellner ihre Tabletts nach dem petit déjeuner von den Nachttischen weggeräumt hatte. Er versuchte es plötzlich mitten am Nachmittag, da er sich an die Stelle in irgendeinem Gynäkologielehrbuch erinnerte, die Erfolg verhieß, wenn nicht genug Zeit war, sich darüber Sorgen zu machen, ob man Erfolg haben werde. Aber sie hatten noch immer kein Glück. Er begann zu überlegen, ob ein Versuch in einem entspannenden warmen Bad das Problem lösen würde.
Dann plötzlich geschah es. Vielleicht war es die Belohnung für Grahams rücksichtsvolle Behandlung der Lage oder einfach für seine körperliche Ausdauer. Vielleicht hatten die zwei Flaschen Champagner beim Abendessen Marias Hemmungen beseitigt, vielleicht hatten ihr einfach die Erholung und die frische Luft gut getan. Jedenfalls funktionierte alles so präzise und erregend, wie die kleine Elfenbeinkugel auf dem Roulettetisch in ihre Vertiefung rollt. Sie war schrecklich dankbar. Und schrecklich stolz. Sie hatte völlig recht gehabt mit ihrer Wahl. Er war wirklich ein kluger kleiner Doktor.
Sie fuhren heim. Im Geiste krempelte sie die Ärmel hoch. Die Flitterwochen waren vorbei, und Graham mußte wie der übrige Haushalt an seinen Platz gestellt werden.
Da nun der Ehrgeiz ihrer Weiblichkeit Erfüllung gefunden hatte, schlitterte Maria beinahe augenblicklich in die Rolle einer Frau in mittleren Jahren. Sie kleidete sich eintöniger und steckte ihr langes schwarzes Haar in einen einschüchternden Knoten zurück. Sie gab erleichtert den flotten Kalender flirtender Gesellschaften für die solideren und weniger ermüdenden Freuden der Häuslichkeit auf. Sie hatte ein Haus in der Great Ormond Street gemietet, nicht weit von der Kinderklinik, wo sie in ziemlich bescheidenem Stil mit nur einem halben Dutzend Dienstboten zu leben gedachte. Der Bezirk würde für ihre Arbeit für das Rote Kreuz, die Cazalay-Mission in Canning Town, das Belgische Kinderhilfswerk, den Sonnenschein-Fonds und den Klub für unentgeltliche Medizin günstig sein, zu denen noch die Gartenstadt-Wohnbaugesellschaft, das Projekt Bibliotheken für die Armen, die Keep Fit Society und die allgemeine Ernährung und Betreuung Grahams gekommen waren. Sie empfing nur zu Hause Gäste, eher pflichtbewußt als verschwenderisch, und Dr. Whitehead schaute wiederholt vorbei. Nach den Satzungen professioneller Ethik blieb er Marias Hausarzt (der eine Guinee für einen Teebesuch verlangte, aber gratis zum Abendessen erschien).
Graham sah Lord Cazalay nie. Er schien völlig damit beschäftigt, die- Bergarbeiter zu überreden, niedrigere Löhne anzunehmen. Marias Brüder, die ihm noch immer nichts zu sagen hatten, traf er gelegentlich. Er lernte den Mann kennen, der ihm mit der Zeit mehr bedeuten sollte als sie alle - Valentine Arlott, einen jungen Australier, der vor dem Krieg mit Lord Cazalays Geld
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