Der Schönheitschirurg
vorgestellt hatte. Fürs erste hatte er nicht erwartet, sich so sehr in der Minderheit zu finden. Unglückseligerweise hatte er den völligen Mangel jeglicher Kommunikation in der Familie Cazalay übersehen. Lord Cazalay war viel zu sehr in die Politik vertieft, um den anderen seine Aufmerksamkeit zu schenken, Maria war jahrelang ihre eigenen Wege gegangen, und wenn Lady Cazalay vor ihrer Ehe große Angst vor ihrem Mann gehabt hatte, so war diese inzwischen keineswegs kleiner geworden. Als Lord Cazalay Graham anschnauzte: «Ich wüßte von nichts, was Sie mit mir wegen Maria besprechen müßten», war dies eines der wenigen Male in seinem Leben, wo er meinte, was er sagte.
«Wir wollen heiraten», sagte Graham einfach.
«Hast du das gehört, Charles?»
«Ja», sagte einer von Marias Brüdern grinsend.
Graham war plötzlich zornig. Schließlich war er ein voll qualifizierter Art, ein Chirurg, ein Heiler. Er war ein Mann, dem die Welt Respekt schuldete. «Ich habe eine sehr gute Position im Sloane Hospital», sagte er trotzig. «In der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung. Und jetzt habe ich meine Fellowship.»
«Welche Fellowship?»
«Die Fellowship des Royal College of Surgeons.»
«Nie davon gehört», sagte Lord Cazalay.
Graham war niedergeschmettert. Es war unfaßbar, daß jemand so wesentliche Ehren nicht kennen sollte. Dann plötzlich erkannte er - und fühlte sich hundeelend dabei -, daß sein und Lord Cazalays Leben in grundverschiedenen Bahnen verliefen.
Er trat den Rüdezug an. «Ich gebe zu, daß zwischen Maria und mir eine gesellschaftliche Distanz liegt. Aber sie und ich haben darüber gesprochen ...»
«Maria und Sie haben darüber gesprochen? Was geht das Maria und Sie an? Maria und ich werden solche Dinge diskutieren, wenn sie überhaupt diskutabel sind. Wer sind Sie eigentlich? Ich weiß nichts von Ihnen. Kennt Sie irgend jemand?» fragte Lord Cazalay. «Was tun Sie überhaupt in meinem Haus?»
Dies erschien Graham als abgrundtief entmutigende Wendung des Gesprächs. Er war drauf und dran, sich und das Royal College of Surgeons zu verteidigen, verlor aber plötzlich den Mut und stürzte zur Tür.
«Rennen Sie nicht davon, Sie Kerl. Ich bin noch nicht mit Ihnen fertig. Ich kenne die Typen, die sich heutzutage herumtreiben-»
Graham schlug die Tür hinter sich zu und hörte noch Marias Bruder «Hals-Spital!» rufen und brüllend lachen.
Er rannte aus dem Haus und riß seinen Kragen los. Der Alkohol hatte sich aus seinem Blut verflüchtigt. Er hatte das Gefühl, brechen zu müssen. Er wußte recht gut, daß er jahrelang eine lächerliche Figur an Marias Seite abgegeben hätte, aber es nahm ihm den Atem, daß man ihm diese übelriechende Tatsache so kräftig unter die Nase gerieben hatte. Er wollte weg, wollte in die akademische Sicherheit von Hampstead flüchten. Er wollte hier niemanden mehr sehen. Er begann im Park herumzuwandern, verirrte sich und verlor irgendwo seinen Kragen.
Lord Cazalay brauchte Maria nicht zu rufen. Als sie die Tür Zuschlägen hörte, wußte sie, daß etwas nicht in Ordnung war, und entschuldigte sich eilig im Salon. Als sie das Arbeitszimmer betrat, schilderte ihr Vater den anderen dreien gerade eindringlich die Gefahren von Mitgiftjägern, und zwar mit derselben Heftigkeit, mit der er der Menge auf dem Trafalgar Square die deutsche Gefahr erläutert hatte.
«Sei nicht blöd», sagte sie zornig. «Glaubst du, ich bin so dumm und werfe mich einem Gigolo in die Arme?»
Das nahm Lord Cazalay den Wind aus den Segeln. Er hatte Respekt vor dem Verstand seiner Tochter, der, wie ihm schien, seinem eigenen verwandt war. «Aber Maria! Du kannst ihn doch nicht gern haben?»
«Natürlich habe ich ihn gern. Es ist unwürdig und verletzend, das Gegenteil zu behaupten.»
Auch ihre Vorliebe für Phrasen war der seinen verwandt. «Aber was ist mit all den anderen Männern, mit denen du verkehrt hast?» fuhr Lord Cazalay rasch fort. «Ich habe aufgegeben, sie zu zählen. Es gibt keine andere Frau in London, die deine Chancen gehabt hätte. Warum willst du, daß ich ausgerechnet diesen Halsarzt, oder was immer er sein mag, aussuche?»
«Soll ich sterben, bevor ich heirate?» Sie schlug sich auf die Wange. «Warum, glaubst du, habe ich mir dieses Ding wegschneiden lassen? Jede Affäre bisher wurde zu nichts. Ich bleibe bei diesem, was immer irgend jemand auch sagen mag. Es gibt Dinge um mich, die du nicht verstehst, die du nicht verstehen kannst. Ich weiß, was ich will, und ich werde es
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