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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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die Londoner Daily Press gegründet hatte und während des Krieges Australien und Lord Cazalay so begeistert pries, daß man es seinen Lesern nicht übelnehmen konnte, wenn sie glaubten, daß die beiden den Kaiser ohne jede äußere Hilfe hätten schlagen können. Er begann eben ein Versicherungsprojekt in seiner Zeitung und befragte Graham ausführlich über den Geldwert verschiedener Teile der menschlichen Anatomie. Klein, rundlich, rotblond und lebhaft fragte er über den Eßtisch, ob ein Arm mehr wert sei als ein Bein. Wieviel mehr? Und ein Auge? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, beide Augen bei einem Unfall zu verlieren? Nicht sehr hoch, versicherte Graham. Großartig! Er würde einen großen Artikel über Augen bringen. Das Publikum würde erschauern. Es amüsierte Graham zu sehen, wie seine beiläufigen Bemerkungen die Titelseite des nächsten Morgens inspirierten. Nicht einmel sein Vater, der Professor, hätte das fertiggebracht.
    Einen Monat nach der Hochzeitsreise ließ sich der schwarze Geier der Schwermut auf seiner Schulter nieder. Er war kein unbekannter Gast. Graham wußte, daß er manisch-depressiv veranlagt war, daß seine Stimmung von hellem Sonnenlicht zu schwarzer Nacht wechselte und nie im bequemen Grau gleichmäßiger Geister verweilte. Als Kind schon konnte ihn ein beiläufiger Tadel des Professors oder ein verweigertes Stück Kuchen zum Tee den ganzen Tag in üble Laune versetzen. Er konnte sich nicht erinnern, in den Tagen seiner mittellosen Verantwortungslosigkeit je elender gewesen zu sein. Er hatte keine neue Welt mit Maria betreten - er spürte es an der Schwierigkeit, mit ihren Freunden auszukommen. Er hatte sich nur von seiner alten Welt ausgeschlossen. Im Sloane Hospital war er nicht mehr der junge Mr. Trevose, ein Mann mit Zukunft. Er war Maria Cazalays Gatte. Der Widerspruch zwischen seiner gesellschaftlichen und seiner niedrigen professionellen Stellung schien alle zu verstimmen, sogar den gutmütigen Mr. Graf ton, vielleicht, weil Graham in einem besseren Wagen zur Arbeit kam. Er hatte das Gefühl gesellschaftlicher Heimatlosigkeit und begann sich selbst schrecklich zu bemitleiden. Besonders wenn Maria auf seine Karriere zu sprechen kam, ein Projekt, an dem sie noch dringlicher interessiert war als an der Gartenstadt-Wohnbaugesellschaft.
    Es gab keinen Posten für plastische Chirurgie im Blackfriars Hospital noch in irgendeinem der anderen wichtigen Londoner Krankenhäuser. Harold Gillies selbst hatte als einfacher Assistent in die Halsabteilung nach St. Bartholomews zurückkehren müssen. Graham wollte irgendein kleines Spital als Sprungbrett, wo er, wie Gillies, mit Hals-Nasen-Ohren anfangen und sich später selbst plastische Chirurgie lehren konnte, ohne daß die Welt viel von seinen Mißerfolgen sah. Aber wo? Das Sloane Hospital war unmöglich. Als Maria darauf bestand, er solle es ihr überlassen, machte er keine Einwände. Schließlich kannte sie den Lauf der Welt viel besser als er. Außerdem war sie ungefähr neun Jahre älter.
    Am Tage nach der Beisetzung des Unbekannten Soldaten in der Westminster-Abtei lud der Sarazene Graham ein, ihm bei einem Fall zu assistieren. Er fuhr mit John Bickley im Wolseley des Anästhesisten in die Wimpole Street (während der Chauffeur den Lanchester Forty vom Sloane Hospital für Maria zurückbrachte). Der Rücksitz war vollgestopft mit Lachgas- und Sauerstoffflaschen, Gummischläuchen und verschiedenen Narkoseapparaten. Sie fanden den Sarazenen in guter Stimmung, und zwar aus vier Gründen.
    Erstens war seine Patientin jung und reich, die Tochter eines Finanzmannes, die seine Hilfe in Anspruch nahm, ohne daß er auch nur einen Atemzug auf Kundenwerbung verschwenden mußte. Zweitens trieb sein Prozeß lawinenartig einem Höhepunkt entgegen. Wenn die Ärztekammer sich weigerte, die Qualifikationen des Sarazenen anzuerkennen, konnte er nichts machen, da die Kammer so hoch über den Mißhelligkeiten einer Berufung stand wie die Sternkammer. Aber er hatte schlauerweise einen Ehrenbeleidigungsprozeß gegen ein Mitglied dieser Körperschaft angestrengt, einen würdigen praktischen Arzt, der von seinen Kollegen gewählt worden war, aber unklug über die Grenzen der freien Rede hinausgegangen war, als er bei einer sonst nicht weiter aufregenden medizinischen Tagung streng über den Sarazenen urteilte.
    Die Anwälte fanden seinen Fall interessant, was ihm eigentlich eine Warnung hätte sein müssen. Wenn Ärzte einen Fall interessant finden, ist

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