Der Schönheitschirurg
der Patient in der Regel verloren. Richter und Geschworene des Oberhofgerichtes fanden seinen Fall auch interessant, wiesen ihn aber ab. Dann wiesen drei ebenso interessierte Richter der Berufungsinstanz ihn ebenfalls ab. Da sie aber einräumten, daß der Fall für das ganze Land interessant sei, erlaubten sie eine letzte Berufung an das Oberhaus. Der Sarazene war überzeugt, daß es ihm eine Wiedergutmachung zusprechen, seine Kosten ersetzen und seinen professionellen Status glorreich festigen würde. Er hätte statt dessen einfach nach New York heimkehren können, aber wie viele andere Amerikaner von großzügig kostspieligem Geschmack genoß er das Leben des dekadenten alten Europa. Außerdem war er so in Schulden verstrickt, daß sein bloßes Erscheinen in den Büros der Cunard Steam Ship Company einen regelrechten Schneesturm an Zahlungsaufforderungen hervorgerufen hätte.
Der dritte Grund für die gute Laune des Sarazenen war, daß er Graham zum erstenmal seit seiner Heirat traf. Er fand, daß ihm der junge Mann nun nützlich sein könnte, besonders da er das glückliche Paar zusammengebracht hatte. Der vierte war, daß er mit Graham über ein Projekt zu sprechen hatte. Ein Projekt machte den Sarazenen immer glücklich.
Die Patientin war so hübsch, daß ihre Hasenscharte doppelt entstellend wirkte. Graham mußte an einen Vandalen denken, der das Lächeln der Mona Lisa besudelte. Der Sarazene machte sich an die Arbeit. Er exzidierte die Ränder und unterschnitt die Haut, sorgte dafür, daß er die Lippe nicht verkürzte und dadurch noch schlimmer machte als zuvor, und raffte das überflüssige rote Gewebe zu einem reizenden Kirschenmündchen zusammen. Er operierte wie immer schweigend, und erst bei der letzten Naht fragte er Graham plötzlich: «Sind Sie katholisch?»
Graham überlegte, ob jetzt eine ethische Diskussion über das Herumpfuschen an den Zügen junger Mädchen folgen würde, aber der Sarazene fuhr fort: «Kennen Sie das St. Sebastian’s Hospital in Richtung Uxbridge? Es ist ein kleines, katholisches Krankenhaus. Ich habe Sir John Blazey, den Vorstand des Aufsichtsrates, bearbeitet. Sie fangen dort draußen eine Abteilung für plastische Chirurgie an. Nichts Kollosales, wissen Sie, nur ein paar Betten, weniger, als wir im Princess Alexandra’s Hospital hatten. Ich soll Oberarzt werden.» Der Sarazene nahm von seiner Operationsschwester einen neuen Nadelhalter, von dem feines Katgut herabhing. Möchten Sie erster Assistent werden?»
«Aber ich bin doch nicht katholisch», wandte Graham ein.
Der Sarazene lachte in sich hinein. «Wie wär’s mit einer plötzlichen Konversion? Ich glaube, der Herrgott müßte schon sehr scharf schauen, um zu finden, daß ich noch den rechten Glauben habe. Es ist nicht besonders wichtig in diesem Spital, aber es hilft vielleicht. Überlegen Sie es sich.» Er senkte die Stimme, als habe er vertrauliche Informationen von finanziellem Wert mitzuteilen. «Es ist die Gelegenheit Ihres Lebens. Sie wären verrückt, sie nicht zu ergreifen.»
«Aber erster Assistent...» Das Angebot war so unerwartet, daß Graham ganz verwirrt war. «Ich bin doch sicherlich zu jung? »
«Dies ist ein Fach für junge Männer!» Der Sarazene schnitt eine Naht heraus, die ihm mißfiel, und setzte eine andere ein. «Wir haben eine strenge Disziplin», überlegte er nebenher. «Die Narben anderer Chirurgen sind nur Lichter unter einem Scheffel. Unsere strahlen ein Leben lang im Licht der Welt. Ich nehme an, es würde Ihnen nichts ausmachen, eine kleine Investition in diese Räume zu stecken - als mein Partner», fügte er lässig hinzu. «Ihre Erhaltung kostet ein Vermögen.»
«Wann soll Ihr Fall im Oberhaus drankommen?» fragte John Bickley scharf vom oberen Ende des Operationstisches.
«Oh, recht bald», antwortete der Sarazene vage. «Ziemlich bald.» Die Bemerkung wirkte lähmend auf das Gespräch. Der Sarazene mußte sich immer wieder sagen, daß sein Anästhesist viel klüger war, als er aussah.
Graham beschloß, die Sache mit Maria zu besprechen, weil er alles mit Maria besprach. Sie arbeitete allein an ihrem Schreibtisch im Salon, als er eintrat.
«St. Sebastian’s - ja», entschied sie. «Partnerschaft mit dem Sarazenen - definitiv nein. Du darfst dem Mann keinen Penny geben. Ich traue ihm nicht.»
Graham zuckte die Schultern. «Du hast ihm aber vertraut, als er dein Muttermal entfernte.»
«Also wirklich, Graham! Das ist doch nicht dasselbe. Ich war eben bereit, ihn in
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