Der Schönheitschirurg
zufrieden, Professor Trevose?»
«Durchaus. Sie hat noch kleine Schwierigkeiten mit der Nomenklatur, aber das wird sich zweifellos mit der Zeit geben.»
«Meine Sibyl ist ein intelligentes und tüchtiges Mädchen, das habe ich schon immer gesagt.»
«Höchst intelligent. Für ihr Alter. Es ist natürlich nicht jedem gegeben, die Embryologie der Gelenkschleimhäute auf den ersten Blick zu erfassen.»
«Deswegen war ich auch froh, daß sie für einen Professor arbeitet. , habe ich gesagt. »
«Ich nehme an, sie findet mich ziemlich langweilig», sagte der Professor. Eine Spur Hoffnung lag in seiner Stimme.
«Obgleich es ein Opfer für mich ist, und das ist Tatsache. Ich bin Witwe, wissen Sie. Ohne Sibyl ist es einsam am Nachmittag in Cricklewood. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich mitkommen und ihr Gesellschaft leisten.»
Der Professor sagte, er werde entzückt sein, zog sich rasch zurück und saß in sehr schlechter Laune nebenan im Frühstückszimmer.
Sibyl blieb den ganzen Sommer lang in strenger Quarantäne, und so konnte der Professor es kaum vermeiden, seine Aufmerksamkeit auf Mrs. Fanshaw zu lenken. Er erfuhr, daß sie die Witwe eines Beamten der Great Western Railway war. Im September war es so weit, daß er sie einlud, mit ihm im Frühstückszimmer Tee zu trinken, während Sibyl sich allein mit den Gelenkschleimhäuten abquälte.
«Es muß wundervoll sein, daß Ihr Sohn die Tochter von Lord Cazalay geheiratet hat», sagte sie zu ihm. «Ich habe alles darüber in den Zeitungen gelesen.»
«Eine zufriedenstellende Verbindung», gab der Professor bescheiden zu. Er reichte ihr das Hochzeitsfoto von Robin und Edith, das neben dem silbergerahmten seiner verstorbenen Frau auf dem Kaminsims stand. «Ich habe noch einen Sohn, wissen Sie. Er ist - leider - weit weg in den Straits Settlements, wo er in der Mission tätig ist. Er hat das höchst lobenswerte Gefühl, dazu berufen zu sein.»
Mrs. Fanshaw nahm einen Bissen Biskuittorte. «Hübsches Mädchen.»
«Edith wird für ihn draußen im Osten eine große Hilfe sein, denke ich.» Der Professor fügte mit gedankenloser Treffsicherheit hinzu: «Sie ist sehr anpassungsfähig.»
«Sie sind also ganz allein?»
«Ich glaube, es trifft uns alle einmal.» Der Professor stellte die Fotografie an ihren Platz zurück. «Es ist eine bittere Entdeckung - wie sehr wir uns auf die Gesellschaft unserer Kinder verlassen. Wir machen sie erst dann, wenn sie erwachsen sind und nicht mehr im Hause.»
«Wirklich traurig», stimmte Mrs. Fanshaw zu. Da er in Schweigen verfiel, fuhr sie fort: «Ich wundere mich, wie Sie zurechtkommen. Als Mann, ganz auf sich allein gestellt. Die Lage hat sich ja seit dem Krieg noch immer nicht normalisiert.»
Der Professor seufzte. «Manchmal ist es wirklich schwierig. Die Verantwortlichkeit für den Haushalt ist eine solche Ablenkung, wo ich mich doch auf meine Arbeit konzentrieren sollte. Das akademische Leben ist außerordentlich anstrengend, wissen Sie. Es gibt keine Ferien, kein Entkommen. Immer trägt man seine Probleme mit sich herum. Ich habe natürlich Personal, aber manchmal finde ich, sie geben mehr Ärger, als sie wert sind.»
«Heutzutage kennen sie alle ihren Platz nicht mehr.»
Er nickte. «Jetzt, wo alle die Mädchen in Fabriken arbeiten, muß man ihnen Unsummen zahlen.»
«Es ist ein Skandal», sagte Mrs. Fanshaw, und nahm noch einen Bissen Kuchen. «Das Geld geht in die falschen Hände über.»
Der Professor stimmte all diesen Ansichten bei. Die gemeinsamen Sorgen des Mittelstandes in der Nachkriegszeit lenkten ihn so ab, daß er seinen Tee beendete, ohne auch nur ein einziges Mal die Anatomie zu erwähnen.
Im November war das Buch fertig. Das letzte Wort über die Gelenkschleimhäute stand da. Alle Probleme waren gelöst, und der Professor hatte nur noch die angenehme Aufgabe, die zwei acht Zentimeter hohen Stöße maschinebeschriebener Seiten dem medizinischen Verlag zu übergeben. Wenn damit die große Arbeit des Professors getan war, so auch die von Sibyl. Er machte Mrs. Fanshaw einen Heiratsantrag.
Schließlich bedeutete das Haus wirklich eine furchtbare Bürde. Er wurde schrecklich einsam und würde mit den davongaloppierenden Jahren noch einsamer werden. Außerdem ließ sie durchblicken, daß sie etwas Geld besitze. Sie stimmte eifrig zu, ihr Scharfsinn hatte den weltfremden Gelehrten längst überlistet und sein Einkommen und Gesamtvermögen
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