Der Schönheitschirurg
Hampstead ein Telegramm zwischen den Fingern, das den Namen Alex Quentin Trevose in die Familie brachte. Nun, es war ja recht großartig, dachte er traurig, aber die Enkel bestätigten, daß sein aktives Leben dem Ende zuging. Er fürchtete weniger den Druck der Jahre als der Tage, wenn er einmal pensioniert sein und ihn nichts mehr täglich aus dem Haus rufen würde. Seine Ehe hatte lästige Komplikationen mit sich gebracht. Seine Frau war zwar gesellig, aber geistig gar nicht anregend. Seine neue Stieftochter hatte sich geweigert, ins Haus zu ziehen, eine neue Stelle und unter dem Dach einer Tante in Southsea Zuflucht gefunden. Tante Doris weigerte sich einfach, mit ihm zu sprechen. Und die zweite Mrs. Trevose war bestürzend extravagant. Sie hatte bereits das Haus und sich selbst bis zur Unkenntlichkeit neugestaltet. Sie bestand auch darauf, die Zahl der Hausangestellten zu verdoppeln. Einmal erwischte sie den Professor dabei, wie er einer von ihnen den Knochenursprung und den Ansatz des Zwillingswadenmuskels demonstrierte.
«Aber meine Liebe», klagte er pathetisch, «das Mädchen hatte sein Fußgelenk verletzt. Ich wollte sie nur beruhigen, indem ich ihr erklärte, was schief gegangen ist.»
«Du laß nur deine Finger von jungen Frauen», schnappte Mrs. Trevose.
Der Professor blickte schockiert. «Du darfst, bitte, nicht vergessen, daß ich Mediziner bin. Der menschliche Körper ist mein rechtmäßiger Bereich.»
«Komm mir nicht damit! Du streichelst und fummelst immer an jungen Mädchen herum und reibst dich an ihnen, wenn du nur irgendwie Gelegenheit hast. Wenn ich denke, wie du meine Sibyl belästigt hast! Abscheulich, wirklich abscheulich!»
«Wie kannst du nur so etwas sagen?» rief der Professor, wenn auch mit mehr Pathos als Überzeugung.
«Das sieht doch ein Blinder! Du solltest die Blicke hinter deinem Rücken sehen, wenn wir ausgehen, in Geschäften und so. Man wird dich noch eines Tages einsperren, wenn du es weiter so treibst. Paß nur auf.»
Der Professor war traurig. Er hatte wirklich nicht gedacht, daß irgend jemand je etwas merken würde.
18
Die Bürde der Vaterschaft lag leicht auf Grahams Schultern. Maria übernahm die Aufsicht über seinen Sohn, so wie sie die Aufsicht über alles andere übernahm. Sein längster Kontakt mit dem Burschen dauerte eine halbe Stunde jeden Abend, wenn Desmond von der Nurse in gestärkter Schürze unnatürlich sauber präsentiert wurde. Aber die dramatische Geburt des Kindes hatte eine dramatische Wirkung auf die Mutter. Desmond ließ Maria die Verletzlichkeit ihres Lebens fühlen. Zum erstenmal erkannte sie, daß man dem Tod seinen Platz in der Ordnung der Dinge zugestehen muß. Das machte sie nachdenklich und verdrießlich, und sie vertraute sich niemandem an, nicht einmal Graham, ebenso wie sie ihre sexuelle Unzulänglichkeit niemandem anvertraut hatte. Sie suchte Trost in der Philosophie. (Die Religion lehnte sie als zu frivol ab.) Sie empfing nur wenige Gäste bei sich und zog sich von der Hälfte ihrer Komitees zurück. An manchen Tagen war sie völlig in sich gekehrt, saß wie während ihrer Schwangerschaft stundenlang auf dem Sofa im Salon und starrte vor sich hin. Graham fragte sich, ob irgendeine subtile Änderung in ihrem endokrinen Drüsensystem eingetreten sei, vielleicht eine winzige Thrombose in der Hypophyse. Was immer es sein mochte, ein Schleier lag über ihrer Persönlichkeit, und das Leben in der Great Ormond Street wurde kühler. Er begann sich zu fragen, wie es Edith gehen mochte.
Maria zog es nun vor, die Londoner Saison in der Einsamkeit am Meer zu verbringen - ausgenommen vier Dienstmädchen, die Köchin aus London mit zwei Küchenmädchen, die Nurse und die Kinderschwester und ein paar Gärtner. Da sie keinen Grund sah, warum ihr eigenes Kind nicht dieselbe frische Luft genießen sollte wie die Nutznießer des Sonnenschein-Fonds (die einmal im Jahr in Gruppen abgefertigt wurden, um eine Tagesration davon in Southend einzunehmen), kaufte sie ein Haus in Cornwall, an der Bucht von Falmouth, und brachte Desmond von Juni bis September dorthin. Graham besuchte sie für eine oder zwei Wochen. Er vertrieb sich die langen Tage damit, die Aussicht zu malen und seinen Ahnen nachzuspüren. Es freute ihn, daß im nahen Friedhof, der so malerisch gegen die Strahlen der untergehenden Sonne abfiel, viele von den Grabsteinen, auf denen fette Möwen dösten, seinen Verwandten gehörten. Andere abenteuerlustige Männer aus Cornwall, so stellte
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