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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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zurückschreckte, wieder einen Hochstapler wie den Sarazenen zu ernennen, erfuhr er nie, denn das Erscheinen des gefürchteten Oberherrn wurde von dem Tage, an dem er dem Ärztestab beitrat, bis zu seiner Pensionierung im Alter von 65 Jahren nie wieder erwähnt.

16

    Im neuen Jahr machte Grahams Vater einen Besuch in der Great Ormond Street, um seinem Sohn zu seiner neuen Stelle zu gratulieren. Ihre Zusammenkünfte wurden immer seltener und peinlicher, da der Professor von der reichen Heirat seines Sohnes so überwältigt war, daß er den jungen Mann mit groteskem Respekt behandelte. Er trug seinen üblichen dunklen Anzug und gab den üblichen Geruch nach Leichenantiseptikum von sich, aber irgendwie kam er Graham verändert vor: Seine Augen funkelten, und selbst sein hängender Schnurrbart schien zu glänzen. Zunächst sprachen sie über Marias Schwangerschaft. Jeder, der ins Haus kam, sprach zunächst über Marias Schwangerschaft. Dann strich der Professor seinen Schnurrbart und verkündigte schüchtern: «Also, Graham, mein Junge, ich habe dir etwas mitzuteilen, das dich überraschen wird. Ich nehme aber an, daß dein vegetatives Nervensystem den Schock ertragen wird.» Er machte eine Pause. «Ich werde wieder heiraten.»
    Graham sah ihn entsetzt an.
    «Na, Graham? Freust du dich nicht? Sag?»
    Das klang schmerzlich begierig auf eine Antwort, aber Graham konnte nur starren und fragen: «Heiraten? Wen heiraten, Vater?»
    «Mrs. Fanshaw», sagte der Professor.
    Das Ganze war eine traurige kleine Episode für den Professor gewesen. Anfangs war er in jenem Sommer nur in sein Arbeitszimmer gekommen, um Sibyl bei den schwierigen Wörtern in seinem Werk über die Gelenkschleimhäute zu helfen, die sie seit Monaten falsch geschrieben hatte.
    «Epiphyse», erklärte er lächelnd über ihre Schulter. «Erst i und dann y. Wenn ich erklären darf, das ist der Teil eines Knochens, der in der Jugend vom Hauptschaft durch eine Knorpelscheibe getrennt ist. Aber im Laufe des Wachstums verschwinden die Knorpel, der Knochen wird eine Einheit. Nun...» Er ließ seine langen Finger den Ärmel ihres Baumwollkleides entlanggleiten und faßte ihren Ellbogen. «Hier haben wir die unteren Epiphysen Ihres Humerus, verstehen Sie. Wie alt sind Sie, Sibyl?»
    «Neunzehn, Sir», sagte sie mit gequetschter Stimme.
    «In diesem reizenden Alter sind die unteren Epiphysen noch nicht mit dem Schaft verbunden. Das geschieht erst mit Beginn der Senilität, mit zwanzig.» Er lachte. «Am oberen Ende verknöchert der Humerus auf die gleiche Art, von den Zentren am Kopf und an den größeren und kleineren Tuberkeln ausgehend. Es sind im ganzen acht.»
    Er befühlte ihre Schultern durch ihr Kleid. Er überlegte, ob er es noch genauer demonstrieren sollte, mit der Hand in ihrem Ausschnitt, entschied sich aber dagegen.
    «Genau hier», sagte er.
    Sibyl hatte solche Schwierigkeiten mit der anatomischen Nomenklatur, daß der Professor sich oft genötigt fühlte, bei ihr zu sitzen und ihr Handgelenk, manchmal auch ihren Oberschenkel zu tätscheln, um den merkwürdigen lateinischen und griechischen Wörtern gehörigen Nachdruck zu verleihen. Aber die Versuche des Mädchens waren hoffnungslos. Er mußte ganze Seiten korrigieren, so eng neben ihr, daß er die harte Kontur ihres Oberschenkelknochens durch ihren Rock fühlte. Wenn er nach einem Buch oder einem Bleistift griff, konnte seine Hand zufällig ihre Brüste berühren oder auch in ihrem Schoß liegen, völlig vergessen, oft minutenlang. Da er erkannte, daß das junge Mädchen sein Bestes tat, erteilte er sogar seine strengsten Ermahnungen, indem er den Arm um ihre Schultern legte. Er wußte, daß sie solche Aufmerksamkeiten als gütige und väterliche Gesten auffassen würde.
    Aber Sibyl war erfahrener, als er sich vors teilte. Der Teehändler in Mincing Lane, für den sie vorher gearbeitet hatte, hatte genau das gleiche getan.
    Als er an einem Sommernachmittag vom Blackfriars Hospital heimkam, wandte sich der Professor mit beschwingtem Schritt in sein Arbeitszimmer und fand dort bei seiner Stenotypistin eine übergewichtige Frau mit lebhafter Gesichtsfarbe und einem blumengeschmückten Hut, die strickte.
    «Oh! Guten Tag.» Er zog verärgert an seinem Schnurrbart.
    «Das ist meine Mama», sagte Sibyl mit schuldbewußtem Blick.
    «Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs. Fanshaw», sagte der Professor und ließ wenig Zweifel daran, daß es ihn keineswegs freute.
    «Ich hoffe, Sie sind mit meiner Sibyl

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