Der Schönheitschirurg
Körpers dachte sie an den Fötus in ihrem Leib. Keine Mutter konnte ihr Kind mit mehr intrauteriner Liebe überschütten.
Lady Cazalay zog sofort in der Great Ormond Street ein. Lord Cazalay gratulierte Graham kurz und ernsthaft, dann kümmerte er sich nicht weiter um die Angelegenheit, da er Wichtigeres zu bedenken hatte. Die Abendgesellschaften hörten auf. Als Doktor-Vater sah sich Graham ins Rampenlicht seiner Ehe gezogen. Er kümmerte sich um die Konsultationen, er sammelte die Proben, er erklärte seiner Frau und seiner Schwiegermutter die anatomischen, physiologischen, geburtshelferischen, embryologischen und psychologischen Tatsachen. Er nahm nun in seinem eigenen Heim eine fast ebenso bevorzugte Stellung ein wie vor der Ehe in der Half Moon Street. Sogar Marias Brüder nahmen ihn beiseite und fragten vertraulich, ob es voraussichtlich schwer sein würde. Er fühlte, daß ihm die Schwangerschaft guttat.
Jeden Nachmittag um vier schaute Dr. Whitehead zum Tee vorbei und verrechnete eine Guinee.
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Vielleicht weil er beschloß, auf Marias empfindlichen Zustand jede nur mögliche Rücksicht zu nehmen, ging Graham auf ihre Ansichten ein und besuchte Sir John Blazey im St. Sebastian’s Hospital. Er war sehr angetan von dem kleinen Krankenhaus mit seiner Atmosphäre liebenswürdig geschenkter Nächstenliebe, seinen
Nonnen mit wogenden Hauben (er fürchtete nur, sie seien gräßlich unsteril) und seinen Kruzifixen an den Wänden der Operationssäle. Er sah, daß er eine puritanische Mißbilligung religiöser Verzierungen in medizinischer Umgebung würde überwinden müssen. Er konnte keine Beziehung zwischen der Medizin, einer Wissenschaft, einer Sache des Schneidens und Heilens, und der Religion, einer völlig unwissenschaftlichen Angelegenheit, sehen. Andererseits nahm er an, daß es eine Beruhigung sein müsse, zu glauben, daß man aus den Händen seines Arztes nicht nur in die des Pathologen, sondern in die erleuchtete Fürsorge St. Peters einging. Wie er einst Robin gesagt hatte, wünschte er sich, selbst daran glauben zu können. Zweifellos hielten die Priester, die so frei in den Krankensälen verkehrten, die Patienten wunderbar bei Laune, und das zu einem sehr bescheidenen Preis, denn soviel er wußte, waren die Gehälter der armen Burschen erbärmlich niedrig.
Sir John Blazey war ein dünner, farbloser Mensch, der angelegentlich erklärte, die neue Abteilung sei keineswegs für so fragwürdige Praktiken wie Face-lifting und Nasenkorrekturen gedacht, sondern für Unfälle aus den Fabriken, die rund um das Spital in die Höhe schossen. Er führte Graham mit so umständlicher Schüchternheit durch die Krankensäle, daß der junge Mann deprimierter denn je im Lanchester nach Hause fuhr - Sir John hätte einem anderen unbekannten Oberarzt einer HNO-Klinik einen staubigeren Empfang bereitet. Und er mußte den Besuch noch dem Sarazenen gegenüber rechtfertigen.
Diese Peinlichkeit blieb ihm erspart. Aus der Abendzeitung erfuhr Graham, daß die Welt, die der arme Mann auf seinen Schultern zu balancieren versucht hatte, ihn endgültig breitgeschlagen hatte.
Fünf Richter aus dem Oberhaus, unerreicht an Erfahrung, Weisheit und Senilität, hatten seinen Fall erwogen. Zwei dachten, er sei im Recht, drei dachten, er sei im Unrecht, alle fünf aber fanden die Sache höchst interessant.
Die Entscheidung kam zu einer schlechten Zeit. Im Winter 1920 stapelten sich die Waren, die von Großbritannien in eine nachholbedürftige Nachkriegs weit fließen sollten, unerklärlicherweise in den Fabriken, und die Arbeitslosigkeit stieg in demselben Maße, in dem der Kredit sank. Die Titelseite der Daily Press meldete den Bankrott des Sarazenen und deutete an, daß der aufregendere Duft einer Strafanzeige in der Luft lag — der Chirurg gab sogar selbst zu, seine Gläubiger mit mehr Begeisterung als Offenheit traktiert zu haben. Die Räume in der Wimpole Street wurden versperrt, seine Instrumente wie seine Reitpferde gleichermaßen beschlagnahmt.
«Ich wußte immer, daß es mit ihm ein böses Ende nehmen würde», sagte Dr. Whitehead zu Graham, als er seinen Hut nahm, nachdem er zum Tee vorbeigeschaut hatte. «Kommerzielle Motive sind in unserem Stand fehl am Platz.» Er hielt vor der Eingangstür inne. «Die Neuigkeiten von Ihrem Vater haben mich sehr interessiert.»
Graham blickte verständnislos. War ihm die ersehnte Fellowship von einer Royal Society verliehen worden, die in ihrer Gesamtheit zeitweilig nicht ganz bei
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