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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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weil er Geld und Einfluß hatte. Es ist immer süß, auf Kosten anderer Leute hohe Prinzipien im Komitee zu vertreten.
    Nach einstündigem Zanken schien der Mann aus Manchester, ein HNO-Chirurg, der überhaupt keine Erfahrung in plastischer Chirurgie hatte, die einzig mögliche Wahl. Dr. Wedderburn, der Vorsitzende, hob die Sitzung weise zum Tee auf. Graham fand sich allein in der Teestube um die Ecke, seine Tasse und sein Sandwich blieben unberührt. Die Lage war ernst. Was, wenn er abgelehnt wurde? Die Stelle bedeutete plötzlich mehr denn je. Er konnte sich kaum in der Harley Street etablieren und die frisch verarmte Maria erhalten, bloß mit seiner Stelle im St. Sebastian’s Hospital. Wenn sie wirklich verarmt waren. Aber das Unfaßbare wurde mit jedem Augenblick wahrscheinlicher, sowohl für ihn als auch für Lord Cazalay.
    Glücklich erweise enthüllte Dr. Wedderburn nach dem Tee sein monolithisches Argument - Trevose hatte in Blackfriars studiert. Das ernüchterte das Komitee. Überdies war sein kränkelnder Vater Professor in Blackfriars, sein Bruder und seine beiden Onkel waren in ihren geliebten Sälen gewandelt. Der Ärztestab mußte Zusammenhalten. Sogar Mr. Cramphorn und Sir Horace stimmten zu. Beide hatten Söhne und Neffen mit ähnlichen Ambitionen wie Graham. Sie ließen ihn vom Sekretär aus dem Vorzimmer holen, wo die Uhr inzwischen betäubend laut geworden war.
    Graham kam in gehobener Stimmung nach Hause. In der Halle traf er auf einen Detektiv und zwei Polizisten, die Lord Cazalay suchten. Maria weinte hemmungslos. Er versuchte sie zu trösten, aber er hätte ebensogut ein Fremder sein können. Sie fragte nicht einmal nach Blackfriars. Plötzlich ekelte ihn der ganze Cazalay-
    Apparat an. Was galten sie ihm überhaupt? Er hatte sie verwendet, er hatte bekommen, was er wollte. Nun war er sein eigener Herr, Chefarzt am Blackfriars Hospital, unabsetzbar, unwiderleglich, untadelhaft, außer in seinen eigenen Augen. Der Detektiv ging, nachdem er wie wild in seinem Notizbuch geschrieben hatte, und Maria sperrte sich im Schlafzimmer ein. Graham nahm seinen Hut und verließ das Haus.
    In der Southampton Row rief er ein Taxi und nannte eine Adresse im Pimlico. Brenda war zu Hause, in ihren kurzen Röcken, ihren schockierend nackt aussehenden beigen Kunstseidenstrümpfen, mit ihren Zigaretten mit schwarzem Tabak und gelbem Papier und ihrer fünfundzwanzig Zentimeter langen Zigarettenspitze. Seit Desmonds Geburt hatte Maria in Sachen Liebe den Laden geschlossen, und Graham hatte kein Verlangen danach, den Mönch zu spielen. Er nahm an, daß Brenda ein «lebhaftes junges Ding» war, während man von Maria mit zunehmender Deutlichkeit weder das eine noch das andere sagen konnte. In vieler Hinsicht erinnerte ihn das Mädchen an Edith. Und Maria? Sie erinnerte ihn an die Fotografie seiner Mutter auf dem Kaminsims des Professors. Eines Tages würde er sich wirklich zu einem ernsthaften Studium dieses Burschen namens Freud entschließen müssen.

19

    Der Professor roch nun schlechter denn je.
    Er hatte seine zweiten Flitterwochen in Brighton verbracht, in einem Hotel, das nicht am Strand lag und wegen der Bescheidenheit seiner Zimmer, Menüs und Rechnungen gewählt worden war. Es war Mitte Februar und bitter kalt. Das Meer sprang zornig hoch und durchnäßte die saisonwidrigen Eindringlinge auf der Promenade. Er hatte gedacht, die Abwechslung würde ihm guttun. Seiner Frau bedeutete selbst die Tatsache, daß sie zwei Molen zur Auswahl hatten, nur einen armseligen Ausgleich für die winterliche Rauheit, die ihrem Rheumatismus zusetzen würde. Außerdem schlief sie schlecht, da ihr frisch angetrauter Gatte ein- bis zweimal in jeder Nacht aufzustehen und Geräusche in den Nachttopf zu machen pflegte. Mr. Fanshaw hatte ihr jedenfalls keine derartigen Störungen zugemutet, und ihre tugendhafte Erfahrung war ausschließlich auf ihn beschränkt gewesen, doch nahm sie an, daß solche Dinge bei Männern normal waren.
    Das Leiden des Professors verschlimmerte sich ständig. Nach etwa einem Jahr hatte er an kalten Vormittagen Schwierigkeiten, seine Vorlesungen durchzustehen, obwohl er vorher eilends und oft erfolglos in den Keller stürzte. Er, der sonst die anatomischen Mysterien wortreich erläutert hatte, begann seine Weisheit einzudicken, zu seiner und seiner Studenten Erleichterung. Er zögerte, einen Facharzt zu konsultieren. Schließlich war der Prozeß völlig natürlich. Das Buch, das er zu diesem Thema öffnete,

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