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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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daß das Glück der Ehe seinem chirurgischen Kollegen ausgewichen war.
    Graham setzte sich. Es herrschte Stille. «Sie sind am Radcliffe Infirmary, nicht wahr?»
    «Ja. Offiziell mache ich Orthopädie. Es gibt natürlich keine Plastikstation. Es ist ein richtiges Kleinstadtspital. Die altehrwürdige Universität, fürchte ich, rümpfte ihre distinguierte Nase über alles, das auf vulgäre Weise nützlich ist als Latein und Griechisch. Aber ich kann doch eine ganze Menge von dem anwenden, was ich während des Krieges gelernt habe. Thiersche Transplantationen zur Heilung einer alten Osteomyelitis, Knochentransplantationen im allgemeinen, Hautlappen bei Verbrennungen und Gewebeverlusten aller Art nach Unfällen. Es ist wirklich bemerkenswert, wie viele Unfälle von Automobilen verursacht werden.»
    Die Begeisterung für ihr gemeinsames Fach begann das Eis zu schmelzen. «Ich arbeite jetzt an Handgelenktransplantaten», demonstrierte Graham, indem er sein Handgelenk vom Magen zur Stirn hob. «Man hebt einen Hautlappen von der Unterleibswand ab, so wie wir es auch früher machten. Man heftet ihn ans Handgelenk, bis er angewachsen ist. Dann hoch mit dem Handgelenk, und man befestigt das freie Ende im Gesicht oder wo man es eben braucht.»
    «Wie ist es eigentlich dem Sarazenen ergangen?»
    «Er entkam nach Frankreich. Mehr weiß ich auch nicht.»
    Haileybury zeigte ein dünnes Lächeln. «Er hat vermutlich ein Vermögen damit gemacht, die Gesichter dieser ausschweifenden Französinnen zu straffen.» Er spielte mit seiner Hutkrempe und fuhr fort: «Dies ist ja eine bloße Formalität, nicht wahr, Trevose? Die Stelle ist für Sie bestimmt.»
    «Natürlich nicht», erwiderte Graham indigniert. «Das Komitee wird aussuchen, wer ihnen gefällt.»
    «Aber, aber, Trevose! Es ist doch allgemein bekannt, daß Ihre Frau diese Zeitung dazu gebracht hat, das Geld zusammenzutrommeln. Wenn Sie sie nicht bekommen, kann ich nur sagen, ist es eine grobe Ungerechtigkeit.»
    Grahams ärgerliche Verneinung wurde von der Ankunft der übrigen Kandidaten unterbrochen - zwei von Gillies und Pomfret Kilners Assistenten und ein fahler, schnurrbärtiger Chirurg mittleren Alters aus Manchester, von dem niemand je gehört hatte. Graham verschränkte die Arme und starrte schweigend geradeaus. Das Leben war zu kurz, sagte er sich, um sich mit seinen Haileyburys abzugeben. Natürlich gehörte die Stelle ihm. Er verdiente sie. Ganz einfach, weil er der bessere Chirurg war. Niemand sprach. Der Mann aus Manchester holte ein Taschenmesser hervor und reinigte nervös seine Nägel. Haileybury schneuzte sich. Die Uhr an der Wand tickte wie ein Schmiedehammer und irritierte alle.
    Zu Grahams Pech waren die Erwägungen des Selektionskomitees unvoreingenommener, als sie verdienten. Der Ehrgeiz seines Lebens lief Gefahr, vom Zökum vereitelt zu werden. Diese harmlose Ausbuchtung des Darmes nahe dem Blinddarm war der Schauplatz einer wütenden neuen Schlacht zwischen Sir Horace und Mr. Cramphorn. Sir Horace fiel mit seinem Skalpell über das Zökum her wie ein Vagabund auf ein heißes Mittagessen. Mr. Cramphorn heftete es fester an seinen Platz. Die beiden Männer sprachen kaum noch miteinander.
    «Das Zökum», hatte Sir Horace am selben Tag über seinem Mittagessen gedonnert, «das am äußersten blinden Ende des Dickdarms liegt, ist eine Senkgrube, eine Kloake für jedes Gift im Kot des Patienten.»
    «Unsinn», widersprach Mr. Cramphorn einfach. «Das Zökum ist für den Dickdarm, was der Verschlußblock für ein Gewehr ist. Ohne Verschlußblock schießt keines von beiden richtig.»
    «Blödsinn», sagte Sir Horace.
    Inzwischen wurde Patienten mit Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Rheumatismus das Zökum entweder völlig entfernt oder wie ein Grundstein eingebettet, je nachdem, an welchem Vormittag sie sich zur Konsultation im Blackfriars Hospital einfanden.
    Haileybury war überrascht, als er nach den üblichen Fragen eingeladen wurde, seine Ansichten über das Zökum darzulegen. Sollte man es entfernen? fragte Sir Horace. Oder immobilisieren? verlangte Mr. Cramphorn. Haileybury sagte vorsichtig, das käme auf die Erfahrung des Chirurgen an. Graham aber erklärte geradewegs, man müsse das Zökum völlig in Ruhe lassen, und gab sogar eine Art Vortrag über die Einmischung in die Natur durch ihre chirurgischen Handlanger zum besten. Feindliches Schweigen folgte seinem Abgang. Das halbe Dutzend anderer Ärzte um den Tisch war schon deshalb gegen ihn eingestellt,

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