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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Männern wie Gillies. Das war peinlich, denn Bankdirektoren scheuten vor ihm zurück, als wäre er von der gleichen finanziellen Lepra befallen wie sein Schwiegervater, der mit Lady Cazalay nach Venezuela entschwunden war. Das Ziel war gut gewählt, denn es war unmöglich, sie von dort zurückzuholen. Graham versuchte zunächst eine Anleihe von Dr. Whitehead zu erreichen, aber jener erfahrene Schlittschuhläufer auf dünnem Eis hatte einige kunstvolle Figuren gedreht und ihn dann in besonders kaltes Wasser geworfen. Dann erkannte er, daß Verarmung, wie übrigens jede andere Erfahrung im menschlichen Leben, ausgenommen Jungfräulichkeit, Schwangerschaft und Tod, sehr relativ ist. Zwar vertauschten sie das Haus in der Great Ormond Street gegen eine Wohnung in Ladbroke Grove, verkauften das Haus in Cornwall, stiegen vom Crossley in einem Morris Cowley um und demobilisierten die Armee von Bediensteten, doch hatte sich sein erster Eindruck, daß sie für Kohle und warme Suppe auf die Heilsarmee angewiesen sein würden, als übertrieben erwiesen. Natürlich gab es einen enormen «Skandal», die Zungen von London waren in Bewegung wie Weizenähren in einem Sturm. Doch fiel unter dem verdüsterten Himmel der Schatten der Cazalays nicht mehr auf ihn, und er fand es im großen und ganzen eher stimulierend.
    Maria aber litt sehr unter dem Finanzkrach. Sie verließ die Wohnung fast nur, um Desmond am Nachmittag auf der Straße spazieren zu führen - Kensington Gardens, wo sie vielleicht auf die Kinderfrauen ehemaliger Freunde stoßen könnte, war für sie verbotenes Territorium. Sie litt unter Schlaflosigkeit und vagen Schmerzen in den Gelenken und im Unterleib, die verheerend gewesen wären, wenn sie Sir Horace oder Mr. Cramphorn zu Ohren gekommen wären. Graham behandelte sie sehr vernünftig mit kleinen Dosen Aspirin und größeren Dosen Mitgefühl. Schließlich ging sie auf die Fünfundvierzig zu, und derartige Symptome waren zu erwarten.
    Die Konferenz für plastische Chirurgie, um die sich Graham so viel Arbeit und so viele Sorgen gemacht hatte, sollte an einem Montagmorgen Anfang September beginnen. Sie sollte ganz anders sein als alles bisher Dagewesene. Niemand sollte sich langweilen, niemand eine Pointe versäumen. Graham wollte die Veranstaltungen mit dem Aplomb eines C. B. Cochran im Palasttheater in Szene setzen. Tagungsort war der Blackfriars-Saal aus dem 18. Jahrhundert, ein prächtiger Raum mit Säulen und Gewölben, dem der süßeste Atem der englischen Architektur Leben eingehaucht hatte. Die subtilen Farbtöne enggereihter ledergebundener Bücher zierten die Wände. Graham arrangierte Fotografien und Skizzen mit maschinegeschriebenen Krankengeschichten, die mit farbigen Bändern an den entsprechenden Punkten befestigt waren, alles so übersichtlich und vergnüglich wie die Querschnitte von Schlachtschiffen und Automobilen in den Illustrated London News. An einer Wand waren Diapositive interessanter Fälle in stereoskopischen Betrachtern aufgestellt, wie jene, die Urlauber an der Seeküste einluden, sich auch einmal als Voyeur zu vergnügen, wie das Butler so gern taten. An der anderen hing eine Leinwand für Diapositive, und auf dem Podium stand ein Rednerpult, das
    Graham nun mit einiger Erregung bestieg, um die Konferenz zu eröffnen.
    «Mein erster Fall», erklärte er, als die Vorhänge zugezogen und die Lichter gedämpft waren, «ist ein bedauernswertes Mädchen, dessen Brüste man in Größe und Form nur mit Kürbissen vergleichen konnte.» Er deutete mit seinem Stab auf das Diapositiv. «Ihr körperliches Unbehagen war beträchtlich, ihre seelische Belastung unermeßlich. Alle die Sportarten, für die sich das (moderne Mädchen), von dem wir so viel in der Zeitung lesen, immer wieder halb auszieht - Schwimmen, Tennis, Sonnenbaden und so weiter -, blieben ihr versagt. Und, viel trauriger, die Liebe ebenfalls. Können Sie sich vorstellen, daß selbst ein Romeo eine Julia, die mit solchen Monstrositäten ausgestattet wäre, zärtlich streicheln wollte? Obgleich wir uns selbstverständlich hüten müssen, jede Bitte um reduzierende Mammaplastik zu erfüllen. Die Mode für junge Damen ändert sich. Ihre jungen Männer ändern sich. Sie könnte zurückkommen und den Status quo wiederherstellen lassen wollen.»
    Ein Gemurmel peinlichen Lachens ging durch den Saal. Grahams Exhibitionismus schlug von Anfang an die falsche Note an. Die Zuhörer fanden es ganz und gar nicht richtig, leichtfertig über Dinge wie

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