Der Schönheitschirurg
schenkte ihm den philosophischen Balsam Sir Benjamin Brodies, eines Chirurgen am St. Georges Hospital im 19. Jahrhundert: «Wenn das Haar grau und schütter wird, wenn sich eine weiße Zone um die Hornhaut gebildet hat, dann erhöht sich auch meist - ja sogar unausweichlich - das Volumen der Prostata.»
Es war unausweichlich, der Professor fügte sich. Aber es war traurig. Das Leben wurde düsterer, und seine Ehe, statt es mit vergessenen Freuden zu erhellen, schwärzte es noch mit bisher unbekannten Schmerzen. Es war ein schwacher Trost zu erfahren, daß das Gebrechen ältlichen Vorstehhunden ebenso zu schaffen machte.
Seine klinische Krise kam fast auf den Tag genau sechs Jahre nach der Grahams im Schlafzimmer nebenan. Der Fluß hatte plötzlich aufgehört, und keine geistige oder körperliche Anstrengung konnte ihn wieder in Lauf bringen. Der Professor lag im Bett, hielt eine Wärmeflasche hoffnungsvoll an seinen berstenden Unterleib gepreßt, und Sir Horace Barrow wurde von einem City-Bankett weggerufen. Er war nicht überrascht. Seine Ansichten über die Hypertrophie der Prostata waren weniger elegant als die Sir Benjamin Brodies in dem Satz zusammengefaßt: «An ihren Stiefeln sollt ihr sie erkennen.» Seit Monaten hatte er Spuren urinöser Tropfen auf denen des Professors bemerkt. Er fühlte sich sogar erleichtert, da die Vergrößerung das Benehmen des Mannes erklären konnte, den unausgesprochenen Skandal des Krankenhauses. Erst vor einer Woche war der Professor unter irgendeinem anatomischen Vorwand in Sir Horaces eigene Abteilung gekommen, und die Schwester, die er hinter einen Paravent gerufen hatte, um ihm bei einer Untersuchung zu assistieren, hatte sich hochrot bei der Oberschwester beklagt. Die Oberschwester erklärte dezidiert, daß sie sich das nur einbilde. Es war einfach per definitionem unmöglich, daß ein Arzt am Blackfriars Hospital sich so benahm.
Nach der Operation war der Professor hilflos wie ein Säugling seiner Frau ausgeliefert. Er mußte oft katheterisiert werden und instruierte sie in dieser Kunst. Sie war keine willige, fröhliche Pflegerin und hatte keineswegs mit einer solchen Erschwernis ihrer ehelichen Pflichten gerechnet. Der Professor gedachte mit Bitterkeit des Abendgebetes eines alten Londoner Chirurgen: «Herr, wenn Du mich abberufst, dann nicht durch meine Blase», und wurde gereizter denn je.
«Es gibt da ein oder zwei Dinge, die wir unbedingt besprechen müssen», sagte seine Frau eines Nachmittags sehr bestimmt. «Das Testament und so weiter. Schließlich kann man nie wissen, nicht wahr?»
Der Professor fand das höchst geschmacklos. Er wußte aus Sir Horaces zurückhaltender Beruhigung gut genug, daß der Krebs wiederkehren könne, aber unter irgendeinem Vorwand die Nase in seine privaten finanziellen Angelegenheiten zu stecken, kam ihm geschmacklos vor.
«Es ist alles in Ordnung», sagte er ihr ärgerlich. «In schönster, vollkommener Ordnung. Die entsprechenden Dokumente sind bei meinem Anwalt bestens aufgehoben.»
«Das kann schon sein. Aber ich möchte doch wissen, wie ich dran bin, nicht wahr? Das ist nur recht und billig.»
«Du bist sehr gut dran. Du kannst dich auf mein Wort verlassen.»
«Na ja. Ich weiß nicht, ich weiß wirklich nicht. Warum hältst du alles so geheim? Man könnte glauben, ich wäre nicht deine Gattin, sondern eine ausgehaltene Frau.»
«Die Details sind überaus kompliziert», erklärte er ihr hoffnungsvoll. «Nur Anwälte und solche Leute können sie verstehen.»
«Ich bin nicht blöd, merk dir das.» Sie tätschelte die Löckchen, die ihren Nacken umringelten. «Fanshaw sagte mir immer alles, wirklich alles. Wie ein Ehrenmann.»
Sie ließ das Thema fallen, bis der Professor wieder einmal katheterisiert werden mußte. Am folgenden Morgen gingen sie zu seinem Anwalt.
«Ich finde das skandalös!» erklärte sie, als sie die Einzelheiten gehört hatte. Das Erbe sollte Graham, Robin und ihr zu gleichen Teilen zufallen. «Wozu braucht Graham das Geld? Er schwimmt in Reichtum. Ich komme doch zuerst, nicht wahr? Ich bin schließlich deine rechtmäßig angetraute Frau.»
Das Gehirn des Professors war nicht mehr das scharfe Organ anatomischen Denkens von einst. Mit dem Versagen seines Exkretionsapparates stieg langsam der Ureaspiegel in seinem Blut, machte ihn verwirrt und teilnahmslos und verursachte Kopfschmerzen.
Schließlich änderte er sein Vermächtnis, in erster Linie, um vor ihrem Gekeife Ruhe zu haben, besonders während des
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