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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Brüste zu sprechen. Schließlich war ihr Fach noch jung und bedurfte dringend einer würdevollen Umkleidung. Allgemeine Chirurgen sprachen nie anders als mit der größten Feierlichkeit über den Magen.
    Graham beschrieb eine Operation, die er erfunden hatte, wobei ein Keil des Fettgewebes der Brust herausgeschnitten wurde, wie man eine überreife Orange zerlegt. Die Operation war einfach, chirurgisch grob und manchmal ein Mißerfolg, aber der Vorläufer kunstvollerer Eingriffe etwa fünfzehn Jahre später, als die weibliche Brust Gefahr lief, statt eines Schmuckes zur fixen Idee zu werden.
    «Darf ich Ihnen zum Schluß nahelegen, meine Herren», erklärte Graham, «daß der wichtigste Schritt der Operation vorher im Krankenzimmer geschieht, wenn man die Lage der neuen Brustwarze ausmißt und mit Bonneys Blau markiert. Sie muß an der Spitze eines Dreiecks liegen, das von einer Lotrechten, die durch die Mitte des Schlüsselbeins geht», er demonstrierte es an seinem Rock, «und einer zweiten, zwanzig Zentimeter langen Linie, vom suprasternalen Einschnitt aus gezogen, gebildet wird. Symmetrie ist alles, meine Herren. Eine schiefe Venus von Milo wäre eher amüsant als bewundernswert.»
    Die Lichter flammten auf. Eine in der Bücherwand verborgene Tür öffnete sich. Seine Stationsschwester erschien mit einem braunhaarigen Mädchen im Morgenrock, den sie schweigend von den Schultern gleiten ließ, wie ein Kaufobjekt auf einem alten orientalischen Sklavenmarkt.
    «Sehen Sie die Veränderung?» Graham tauschte ein Lächeln mit seiner Patientin. «Ich hoffe, Sie werden mir beipflichten, daß diese zierlicheren Organe dem entsprechen, was heute von Modeschöpfern, Filmzaren und anderen weniger drastischen Schöpfern der weiblichen Figur, als wir es sind, begünstigt wird.»
    Die Patientin zog sich zurück. Haileybury erhob sich von seinem Sitz in der vordersten Reihe.
    Graham straffte sein Kinn. Es war ihr erstes Zusammentreffen, seit sein Rivale zum Plastikchirurgen im King Alfred’s Hospital ernannt worden war, einer ebenso großartigen Institution wie Blackfriars am anderen Ufer des Flusses. Zweifellos war er begierig, Eindruck zu machen. «Ich glaube, wir wollen Ihnen alle zu Ihren bewundernswerten Resultaten gratulieren, Mr. Trevose.» Gelehrte Häupter nickten. «Aber darf ich fragen, was eigentlich Ihre Indikationen für eine derartige Operation sind?»
    «Selbstverständlich, Mr. Haileybury. Sie fragen nach meinen Indikationen. Bei der physiologischen Vergrößerung während der Pubertät - niemals. An einer Patientin unter Zwanzig oder über Fünfzig — niemals. Bei chronischer Mastitis würde ich zu totaler Amputation raten. Bei jeder anderen, gesunden Frau, die genügend deformiert ist, um es zu verlangen - jederzeit.»
    Haileybury faltete seine großen Hände vor sich. Er trug immer noch seinen blauen Sergeanzug. Graham ertappte sich bei der Überlegung, ob das wohl sein einziger sein mochte oder ob er sie en gros einkaufte. «Dann ist es Ihrer Meinung nach immer eine rein kosmetische Prozedur?»
    Graham war hierauf vorbereitet. «Ich denke, es wäre unfair, wenn ich behaupten wollte, sie setzten kosmetisch mit trivial gleich. Sie selbst müssen doch zugeben, daß der seelische und gesellschaftliche Nutzen der Operation überwältigend ist.»
    «Das Messer scheint mir eine eher drastische Neueinführung in der psychologischen Behandlung», antwortete Haileybury trocken. «Freud, Jung, Adler und dergleichen Herren sind kaum für ihr chirurgisches Geschick bekannt.»
    Alle lachten. Wenn man in Gesellschaft nüchterner Ärzte die Psychologie erwähnte, so hatte das immer die gleiche Wirkung wie Mr. Leslie Hensons Auftreten auf der Bühne. Graham ärgerte sich. Der Mann schien es darauf anzulegen, ihm die Schau zu stehlen.
    «Was die sozialen Wirkungen anbelangt», beharrte Haileybury, «dürfte ich vielleicht anzweifeln, ob es ganz korrekt ist, wenn sich die Chirurgie in das Gebiet des Schönheitssalons verirrt.»
    «Der Nutzen dieser Operation ist genauso groß wie der einer Gastroenterostomie, die die Qualen eines Zwölffingerdarmgeschwürs beseitigt», erwiderte Graham kurz angebunden.
    Das war unklug. Die Gastroenterostomie, die Umgehung eines erkrankten Zwölffingerdarms, war weniger eine chirurgische Prozedur als ein sakraler Ritus. Die Operation begann damals die Abdominalchirurgen der dreißiger Jahre so sehr zu beschäftigen, wie die Abdominalchirurgen der vierziger Jahre zu tun hatten, sie wieder

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