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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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rückgängig zu machen. Ablehnende Stimmen wurden laut. Graham biß sich in die Lippe, bekam sich aber wieder in die Gewalt und erklärte: «Meine Herren, wir haben noch kaum mit der Tagesordnung begonnen. Ich denke, wir können derart allgemeine Fragen angenehmer während des Mittagessens diskutieren. Darf ich zum nächsten Fall übergehen.»
    Der Hauptteil seines Vortrags war weniger sensationell. Als er ihnen seine Operationen an Verbrennungen zeigte — eine neue Richtung, die ihn gefesselt hatte -, an Kieferbrüchen, Fingerverletzungen, Dupuytren-Kontraktur, bei der die Handfläche schrumpft und verwächst, da fand selbst Haileybury keine Munition für seine Kritik.
    Zuletzt kam Graham zu Miss Constantine.
    Sie erschien durch die Tür in der Bücherwand, groß, grobknochig, in kurzem Kleid, mit Kunstseidenstrümpfen, kurzgeschnittenem Haar und einem Hut mit riesiger Feder.
    «Bitte, inspizieren Sie die Patientin, meine Herren.»
    Sie posierte eine Minute schweigend, dann verschwand sie.
    «Vielleicht ist Ihnen Miss Constantines Gang aufgefallen?» suggerierte Graham. «Sie betrat meine Ordination wie eine Jägerin aus den Grafschaften, obgleich sie niemals im Leben ein Pferd bestiegen hatte. Ich erfuhr, daß sie in einem weltbekannten Warenhaus in der Oxford Street in der Sportabteilung arbeitete, wo ihre athletische Erscheinung zweifellos als Vorzug galt. Nun, meine Herren, muß ich Ihnen eröffnen, daß dort hinter den Kulissen schamlos viel geflirtet wird. Miss Constantine aber war ganz und gar nicht amüsiert. Sie klagte, daß ihr selbst die wohlgesittetsten Annäherungsversuche der Empfangschefs einfach peinlich waren. Was Einladungen in Kinos oder Tanzlokale betraf, war schon die bloße Idee abstoßend. Sie begann sich - verständlich genug - Sorgen zu machen. Aber es sollte noch ärger werden. Sie erkannte, daß sie eine starke romantische Neigung zu einem Mädchen in der Hutabteilung entwickelte.»
    Graham ließ ein Diapositiv zeigen.
    «Beachten Sie, meine Herren, diese Genitalien. Sie sind auf einen flüchtigen Blick weiblich, und der namenlose Praktiker, der Miss Constantine in die Welt verhalf, muß außerordentlich sorglos gewesen sein. Schauen Sie genauer. Diese Klitoris ist in der Tat ein Penis, diese labia majora sind ein unterentwickeltes Skrotum. Es gibt hier keine labia minora, kein Hymen, keine Vagina.» Er klopfte, und das nächste Diapositiv erschien. «Ich operierte an diesem trügerischen Stand der Dinge. Sie sehen, daß die Organe jetzt eindeutig männlich sind. Ich berichtigte hier gerne einen Irrtum von ziemlich fundamentaler Natur.»
    Die Lichter gingen an. Durch die Tür erschien ein lächelnder, dunkelhaariger junger Mann in doppelreihigem, grauem Anzug. «Miss Constantine», fügte Graham selbstgefällig hinzu, «wurde Mr. Constantine. Ein hübscher junger Mann.»
    Kaum war der Patient gegangen, war Haileybury auf den Beinen. «Ich fürchte, ich kann Ihre Gleichmütigkeit über die Veränderung des Geschlechts eines Mitmenschen nicht teilen.»
    «Ich habe das Geschlecht nicht verändert», erklärte Graham irritiert. Dieser Mann war ein Trottel, dickköpfig und dickhäutig. «Der Patient war männlich seit seiner Empfängnis.»
    «Aber sie ist als Mädchen erzogen worden. Sie sprachen zuvor über die seelischen Aspekte Ihrer Chirurgie. Soweit ich mir vorstellen kann, müssen die psychologischen Auswirkungen dieser plötzlichen Veränderung höchst nachteilig sein.»
    Mr. McMannus erhob sich neben ihm. Er war ein kleiner, dicker Halsspezialist mit quietschender Stimme, der Graham mit einer Intensität haßte, wie sie innerhalb des Standes auf enge Kollegen im selben Krankenhaus beschränkt ist. Er war wütend, weil Graham die gebrochenen Nasen, Wolfsrachen und Hasenscharten stahl, die er als sein persönliches Eigentum betrachtete. Schlimmer noch, Graham weigerte sich, die neue Doktrin der septischen Foki anzuerkennen. Die Ursache der Kopfschmerzen und rheumatischen Beschwerden war von faulen Gedärmen und Wandernieren in bösartige Eitertaschen verlegt worden, die überall im Körper lauerten und nach denen Mr. Cramphorn den Unterleib durchsuchte wie ein pflichtbewußter Zollbeamter und Mr. McMannus mit seinem Hammer und Meißel Nebenhöhlen aufstemmte oder Zähne zog, als löse er Erbsen aus, ganz besonders, wenn der Patient mit schlechtem Atem kam.
    «Ich halte es für meine Pflicht», quäkte der Chirurg, «meinen Abscheu vor dieser Art der Darstellung eines Falles

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