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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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fahren», klagte er, «aber ich fürchte, du fühlst dich der Reise wohl nicht gewachsen.»
    «Paris? Ich muß noch fast ein Kind gewesen sein, als ich zum letztenmal dort war.» Maria seufzte. Sie verbrachte wieder einmal einen Tag im Bett. Ihre Kopfschmerzen und anderen Leiden konspirierten nun mit Depressionsanfällen um sie mit einem Gefühl der Lebensuntüchtigkeit zu vergiften. Sie zog sich also einfach zwischen ihre Bettücher zurück. Grahams bescheiden ansteigender Wohlstand erlaubte eine Köchin und ein Dienstmädchen, die gemeinsam für Desmond sorgten und ihn abwechselnd in die Schule um die Ecke brachten. Sie waren aus Ladbroke Grove in ein Reihenhaus in Primrose Hill übersiedelt, ein hohes, schmales Gebäude mit steilen Treppen, einer engen Vorhalle mit gesprungenen Fliesen und einer Eingangstür, die durch schreiend bunte Glasfenster fröhliche Muster von der Sonne borgte. Er erinnerte sich später an diese Zeit als seine «Vorstadtphase» und hatte sich sogar mit dem passenden Zubehör versehen - einem Hund, einer Musiktruhe und einem Rasenmäher, den er ein- oder zweimal herumschob.
    «Ich erinnere mich an die Untergrundbahnstationen in Paris», erzählte Maria. «Lauter verschnörkelte grüne Eisengitter, wie irgendwelche merkwürdige Pflanzen, die aus den Gehsteigen wachsen. Die Britische Botschaft gab einen Ball, und mehrere Mädchen fielen in Ohnmacht. Es war eine furchtbar heiße Nacht. Ich glaube, wir kleideten uns damals auch alle so unpraktisch. Ich lernte Clemenceau kennen. Er sah aus wie ein gütiger alter Mann und hatte gar nichts von einem Tiger an sich.»
    «Clemenceau war auch Arzt», sagte er. Er überlegte, ob Jean wohl einen Paß hatte.
    «Wirklich? Starb er nicht voriges Jahr? Ich kann mich jetzt nie erinnern, wer noch lebt und wer schon gestorben ist. Wo wirst du wohnen?»
    Er nannte ein kleines Hotel draußen an der Porte Maillot -«schließlich bin ich ja allein.» Sie war schockiert, daß er das Crillon übergangen hatte. Es war ihm seit einiger Zeit aufgefallen, daß der Brennpunkt ihrer Gedanken immer mehr in die Vergangenheit fiel.
    Jean Dixon war zu Beginn über französische Klänge und Düfte aufgeregt wie ein kleines Mädchen: die rasenden Taxis, die operettenhaften Polizisten, die Tischchen auf den Gehsteigen, die stotternden Reklameschilder für Dubo... Dubon... Dubonnet, die Plakate mit dem kummervollen Nicolas-Mann, aus dessen Fäusten Dutzende von Flaschen sprossen - das plötzliche, atemberaubende, dreckige Paris des Gare du Nord, für immer unvergeßlich. Die Schwierigkeiten begannen mit der Schabe im Bidet. Das ganze Hotel flößte ihr Furcht ein. Es war hoch, düster und ungelüftet, mit schlecht gestrichenen Fensterläden, roch wie ein Museum, und die Fenster konnten offenbar nur mit einem kompletten Satz Tischlerwerkzeug geöffnet werden. Graham telefonierte wegen der Schabe hinunter, aber niemand verstand das Französisch, das er mühevoll aus Berlitz-Heften gelernt hatte. Dann befiel ihn eine Magen-Darm-Entzündung.
    Es mußte etwas gewesen sein, das er auf dem Schiff gegessen hatte, er meinte, der Schinken sei ganz sicher verdorben gewesen. Die Krankheit machte eine dringliche und von Koliken geplagte Suche nach einer pharmacie notwendig, die das einzig vertrauenswürdige britischen Reisenden bekannte Heilmittel, das intestinale Gegenstück zu Keating’s Insektenpulver, Dr. Collis Brownes berühmtes Chlorodyne, führte. Das Geschäft konnte nur mit einer lächerlichen Flasche Eno’s Fruchtsalz aufwarten, bis Graham endlich eine elegante Apotheke in der rue du Faubourg St.-Honoré fand, die das Gewünschte auf Lager hatte, ähnlich wie elegante Bars dieser Gegend schottischen Whisky führten. Er schluckte die beruhigende Mixtur mit etlichen Gläsern purem Weinbrand, da er meinte, der Alkohol werde vielleicht seine Gedärme innerlich sterilisieren oder zumindest ihn etwas fröhlicher erscheinen lassen. Aber es war jedenfalls eine traurig unromantische Behinderung.
    Jean nahm den Louvre mit demselben jugendlichen Enthusiasmus in Angriff, mit dem sie sich über marrons glacés stürzte. Beide fanden die Mona Lisa lächerlich überbewertet. Seine Ausrede für die Reise nach Paris war, daß er einige seiner Bilder verkaufen wolle, aber die Kunsthändler an den Ufern der Seine schienen sein Talent ebenso zu verkennen wie ihre Kollegen an der Themse. Ein ungehobelter Bursche, ein Engländer, den Graham vor langer Zeit im Sanatorium kennengelernt hatte,

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