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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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bezeichnete seine Arbeiten sogar als «ausgesprochen dilettantisch». Er war verletzt. Er war auf seine Bilder so stolz wie auf seine Operationen, die man schwerlich vorzeigen konnte, um seinen Freunden damit zu imponieren.
    Der wesentliche Teil der Exkursion war noch verheerender. Beim erstenmal warf er sich so voll Eifer auf die junge Jean, daß er eine ejaculatio praecox erlitt. Es war ausgesprochen blamabel, da er sie wirklich nur sehr flüchtig kannte. Beim nächstenmal hatte er entweder zuviel Cognac oder zuviel Chlorodyne genommen, denn es trat das Gegenteil ein. Er hatte den gefürchteten Studentenalptraum, einen «Whiskyschwanz», nie zuvor an sich erfahren. Er lag im Bett und überlegte, ob er für solche Abenteuer vielleicht schon zu alt sei. Er stellte sich seine Drüsen mit innerer Sekretion vor; die kirschgroße Hypophyse an der Schädelbasis, die zweilappige Schilddrüse, die die Luftröhre umfing, die säuberlichen Nebennieren, die kappenförmig auf den Nieren saßen, die Zwillingspflaumen der Hoden selbst - erkaltete die ganze Konstellation flammender Sonnen zu sterilen Planeten? Aber ich bin doch, verdammt noch einmal, erst fünfunddreißig! tröstete er sich. Und mit Kitty Rivers schien es immer zu klappen.
    Das Deprimierendste aber war, daß er den Sarazenen traf. Er erfuhr nie, woher der Chirurg wußte, daß er in Paris war. Er erschien einfach im Hotel, mit fetten Hängebacken, unordentlicher Kleidung und scharf riechenden Gitanes statt seiner Zigarren. Die drei gingen in ein Café und tranken Pernod, der Amerikaner schien die Rothaarige als zu natürlich hinzunehmen, um eines Kommentars zu bedürfen. Es zeigte sich, daß die Franzosen auch nicht williger waren als die Engländer, seine Qualifikationen anzuerkennen, und daß er die Chirurgie zugunsten der Börse aufgegeben hatte, für die er ein ebenso großes Talent in sich fühlte, bis der Wall Street Crash auch diese Karriere beendet hatte.
    «Man könnte vielleicht sagen, ich hätte mich zur Ruhe gesetzt.» Er streckte seine pummeligen Finger und schloß sie zur Faust. «Obwohl ich immer noch den Kitzel fühle, ein Messer zu halten, fast jeden Tag. Vielleicht lassen sie mich im American Hospital in Neuilly helfen, wenn ich sie schön bitte. Ich habe der Menschheit immer noch etwas zu bieten, auch jetzt noch.» Er starrte in die milchige Flüssigkeit in seinem Glas. «Aber ich wurde schon zu oft mißverstanden, um mir noch viel daraus zu machen.»
    Er wurde heiterer, als sie mit rosenroten Lampen die Höhlen der Vergangenheit durchleuchteten, und fragte erst beim Aufbruch mit leiser Stimme: «Und Maria?»
    «Es geht ihr jetzt leider gesundheitlich gar nicht gut.»
    «Das tut mir leid. Bitte, richten Sie ihr meine Empfehlungen aus. Die Geschichte mit ihrem Vater war traurig.» Er machte eine Pause. «Die Dame muß sich sehr glücklich schätzen, einen Akademiker mit einer Karriere geheiratet zu haben.»
    «Dieser Mann!» sagte Graham bitter, als er sich auszog. «Er hat Verstand, Geschick, Vorstellungsgabe - die gleiche Phantasie, die Morton dazu brachte, Äther zu verwenden, oder Harvey, den Blutkreislauf zu entdecken. Und was geschah? Er wurde geschlagen. Von Snobismus, Kleinmut, Neid, Habgier und Arroganz. Statt den Strom menschlichen Glücks zu bereichern, wurden seine Talente absichtlich weggeschüttet wie schmutziges Wasser. Mein Gott! Sie hätten geradesogut Rembrandts Hände abhacken können.»
    Jean lag nackt auf dem Bett, aß Schweizer Likörbonbons und las die Continental Daily Mail. Sie gab keine Antwort. Sie verstand nie auch nur die Hälfte von dem, was Graham sagte. Natürlich war er schrecklich gescheit, wie sie ihren Freunden erzählte, und die verstanden, daß sie damit schrecklich langweilig meinte. Sie fragte sich oft, ob er sich bei seiner Frau auch so merkwürdig benahm.

22

    «Ich stecke in einer Patsche», sagte Graham zu John Bickley.
    Der Anästhesist schaute von der Speisekarte auf. «Ah, da bist du. Ich wollte eben bestellen. Ich dachte, du wärst von deinem Jamboree in Blackfriars nicht losgekommen.»
    Graham glättete seine schwarze Krawatte gegen die Spitzen seines Frackkragens. «Der Aufsichtsrat gibt einen Empfang, aber ich habe midi mit irgendeiner Entschuldigung loseisen können.» Es war am Abend des ersten verhängnisvollen Tages der Konferenz über plastische Chirurgie, aber seit seiner Abfuhr am Vormittag hatte Graham bereits das Interesse an seinem geliebten Projekt verloren. «Es ist lieb von dir, so

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