Der Schönheitschirurg
lassen. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen.»
Was für ein Narr der Mann ist! sagte sich Graham, als er hinaufeilte, um sich zu rasieren. Was für ein dünkelhafter, scheinheiliger Esel! Aber ein gefährlicher Esel, der immer darauf lauert, Schaden zu stiften. Er mußte unbedingt noch diesen Vormittag an die medizinischen Zeitschriften schreiben, energisch jede Vorkenntnis von dem Artikel in der Daily Press bestreiten und den Schutz des Standes vor solch abscheulicher Propaganda erbitten. Val Arlott hatte ihm nachdrücklich dazu geraten, als sie vor einer Woche den Fall der Miss Constantine besprachen.
23
Am dritten Sonntagmorgen im September kam Robins Familie über Tilbury und Fenchurch Street Station in Primrose Hill an. Dieselben weißbeschrifteten Koffer waren an das Dach des Taxis geschnallt. Robin hatte selbstverständlich angenommen, daß sie bei Graham wohnen würden.
Robin hatte bis 1930 keinen Heimaturlaub genommen, weil er es sich einfach nicht leisten konnte. Die Zeit in der Missionsstation waren fünf Jahre schlechtbezahlte Langeweile gewesen, nur dadurch unterbrochen, daß der Bungalow des Lehrers eines Nachts abbrannte und der redselige Missionar auf dramatische Weise, nämlich während einer seiner Predigten, für immer verstummte. Sie hatten beschlossen, sich in Singapur niederzulassen, aber irgendwie war nichts daraus geworden. Dann nahm Robin in Kuala Lumpur eine Stellung als Werksarzt bei einer schottischen Konstruktionsgesellschaft mit sparsamen Ansichten über Gehaltsfragen an. All diese Abenteuer hatte er seinem Bruder in vielseitigen monatlichen Briefen ausführlich erläutert, von denen Graham einige zu Ende las. Nun aber war die Zeit gekommen, seinen Sohn Alec, der entgegen allen Grundsätzen zeitgenössischer Pädiatrie in den Tropen eine junge weiße Haut entwickelt hatte, in einem englischen Internat unterzubringen - besonders, weil der arme kleine Junge so deprimierend zart und anfällig geworden war.
Edith stieg als erste aus dem Taxi. Sie trug ein einfaches blaues Baumwollkleid, ihre Haut war braun wie Schuhcreme, das Haar unter ihrem enganliegenden Hut von der Sonne so unbarmherzig gebleicht wie nur je das eines Londoner Mädchens von Wasserstoffsuperoxyd. Wie viele andere Engländerinnen in den Tropen war sie geradezu hager geworden, Robin aber schleppte sich schwerfällig hinter ihr her, fett wie der Sarazene, bleichgesichtig und nach Atem ringend, mit grauem Haar, schleppendem Gang, einem Anzug, der aussah, als hätte er während der ganzen Reise darin geschlafen, und einer so heiseren Stimme, daß Graham bestürzt überlegte, ob sein Bruder der tropischen Versuchung des Alkohols erlegen war. Sie wechselten nur wenige Worte. Die Begegnung überwältigte alle drei mehr, als sie zeigen wollten. Was die Umstände ihres Abschieds betraf, schienen sie Robin und Edith mit dem Gleichmut städtischer Totengräber in der Vergessenheit begraben zu haben.
«Hier ist Alec», verkündete Edith stolz. «Alec, Liebling, das ist nun wirklich dein Onkel Graham.»
Graham bemerkte erst jetzt einen teigigen, großköpfigen, spindelbeinigen neunjährigen Jungen, der ihn voll Entsetzen ansah. Er fand, der Bursche sehe kaum stark genug aus, einen Ausflug in den Zoo zu überleben, von den Strapazen einer englischen Internatserziehung gar nicht zu reden.
«Ich nehme an, ihr findet London stark verändert», sagte Graham, als er sie ins Haus führte.
«Wir hatten kaum Gelegenheit zum Schauen», murmelte Robin.
«Ja, die Autobusse haben ein Verdeck», erklärte Edith freundlich.
Robin blieb stehen, um die Vorhalle abzuschätzen. Graham schien sich zu machen.
«Es war schade um Vater.»
Graham mußte sich erst dran erinnern, daß der Professor nach Robins Abreise gestorben war. Er hatte das Alter erreicht, wo das Gedächtnis anfängt, die Jahre durcheinanderzubringen. «Ja, es war traurig.»
«Die widerlichen Einzelheiten - das Testament und so? Es war gültig, nehme ich an? Man kann nichts dagegen tun?»
Graham schüttelte den Kopf.
«Wie ist sie?» fragte Robin. «Die Frau?»
«Tja... vielleicht gehst du am besten einmal nach Hampstead und siehst sie dir an. Schließlich nehme ich an, daß wir ein gutes Recht haben, unsere Stiefmutter zu besuchen.»
«Und wie geht es deiner Frau?» lächelte Edith. «Wir sind ganz begierig, sie kennenzulernen.»
«Maria wird in einer Weile herunterkommen», sagte Graham.
Maria erschien erst unmittelbar vor dem Mittagessen.
«Ich muß mich
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