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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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aufgefordert wurde, widrigenfalls die gerechte Strafe alle gleichermaßen ereilen würde. Da er nicht einsah, warum alle wegen ein paar ordinärer Worte auf der Wand einen halben freien Tag verlieren sollten, verriet Alec den Namen des Täters. Er lernte schmerzlich, daß «Petzen» ein fürchterliches Verbrechen war, noch ärger als «Strebern», und da er wie alle kleingeratenen Leute eine rasche Auffassungsgabe haben mußte, vermied er beides für den Rest seines Lebens.
    Von den beiden ältlichen Lehrern, die wie Felsen in der Ebbe und Flut des Lehrkörpers standen, war einer dem Bier verfallen, was der herzlos genauen Aufmerksamkeit kleiner Jungen nie entging, wenn es sich in seinem Atem oder Benehmen bemerkbar machte. Der andere wieder liebte es über alle Maßen, die kleineren Knaben bei ihrem allwöchentlichen abendlichen Bad mit der rauhen, gelben Seife der Schule zu waschen, und zwar überall. Alecs Asthma brachte ihn in ständigen Kontakt mit der Hausmutter der Schule, die gleichzeitig Köchin und irgendeine Verwandte der Frau des Direktors war. Die Knaben hielten sie für unglaublich alt, obgleich er später überlegte, daß die arme Frau kaum über Dreißig gewesen sein konnte. Er dachte auch über die furchtbaren Frustrationen und Neurosen nach, die in ihr gewütet haben mußten. Sie verabreichte Alec einen Hustensaft in ihrem Zimmer hinter der Küche, das immer nach heißer Bügelwäsche roch, und hielt ihn oft noch zum Plaudern zurück, wobei sie unordentlich auf ihrem Stuhl saß und ihn mit Ausblicken auf dicke Wollstrümpfe und ab und zu sogar auf grüne Unterhosen und starke rosafarbene Strumpfbänder faszinierte. Einmal fragte sie ihn lachend, ob er ihre Beine hübsch finde und belohnte seine Verwirrung mit einem Tätscheln auf die Wange und einem Sahnebonbon. Er übte von Anfang an eine mysteriöse Anziehungskraft auf Frauen aus.
    Die Schule hatte ihre Sexskandale, doch waren sie homosexueller oder autosexueller Art, da die Töchter des Alten Hosenknopfes in der Pubertät Zielscheiben des Spottes und nicht ferner Sehnsüchte wurden. Entdeckung führte zu zeremonieller Züchtigung unter dem Vorsitz des Direktors vor den höchst interessierten Augen der ganzen Schule. Mit den Jahren wurden dies die einzigen Auftritte des Alten Hosenknopfs, abgesehen vom Gebet am Sonntagabend. Er hatte eine Vorliebe für Hymnen aus der Feder viktorianischer Geistlicher, die bei denen verweilten, «Die uns vorangegangen sind», oder auch bei «Kleinen Hügeln am Kirchhof» und ähnlichen Mahnungen an die arge Unzuverlässigkeit des menschlichen Körpers und der medizinischen Wissenschaft. Er hielt lange Predigten über die Sünde, worunter offenbar alles nur Erdenkliche zu verstehen war, und betete begeistert nicht nur für so übliche Ziele wie geistliche und weltliche Würdenträger, sondern auch für Knaben, die an recht geringfügigen Krankheiten laborierten und die er völlig ungerechtfertigt dem Schutz des Allerhöchsten anempfahl. Epidemien konnten ihn in so gute Laune versetzen, daß er anschließend manchmal sogar Schokoladekekse aus einer Dose verteilte. Bei soviel Religion und so vielen Schlägen fand Alec, daß diese Schule seinen Charakter so gut formte wie irgendeine andere.
    Er gehörte zu der benachteiligtesten Schicht in der Schule, den Knaben in «ausschließlicher Obhut», deren Eltern in P. and O.- Schiffen davongesegelt waren, um das britische Weltreich zu regieren, zu überwachen oder zu verteidigen. Sogar die Ferien wurden in der Schule verbracht, wofür Briefe mit aufregend bunten Marken nur eine armselige Kompensation darstellten. Sei es, weil sie zu lange keinen Kontakt mit ihren Familien hatten oder weil sie zu lange zu engen Kontakt miteinander hatten, diese Burschen wurden eine schwer zähmbare Bande, die hemmungslos stahl und ganz fürchterlich fluchte, obwohl einer von ihnen mit höchst unterhaltsamen Anfällen regelmäßig für Erheiterung sorgte. Damit sie nicht zuviel Unfug anrichten konnten, hielt der Alte Hosenknopf den ganzen Sommer lang an drei Vormittagen in der Woche Schulstunden. Als Alec endlich in Medizin promovierte, sagte er sich, daß er vielleicht keine besonders gute, dafür aber besonders massive Erziehung genossen habe.
    Alec hatte insofern Glück, als er gelegentlich zu seiner Großmutter in Ramsgate entkommen konnte oder zu seinem Onkel, dem Kanzlisten, der mit steigender Prosperität in eine schlechtgebaute Villa in dem waldig klingenden Vorort Elmstead Woods, zwei

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