Der Schönheitschirurg
Stationen von London entfernt, umgezogen war. Der Kanzlist hatte nicht viel für Alec übrig. Robin hatte mit ihm irgendein finanzielles Arrangement wegen Alecs Unterhalt getroffen, und wie alle derartigen Abmachungen Robins war es eher kleinlich. Ab und zu verbrachte Alec sogar ein paar Tage bei seinem Onkel Graham, Zeiten von langerwartetem und unglaublichem Luxus, obwohl ihn sein Vetter Desmond noch immer boxte. Zumindest aber blieben ihm die drückenden Sorgen der Welt in den frühen dreißiger Jahren erspart. Er hatte das Privileg, wenig von Hitler, Mussolini und selbst Don Bradman zu wissen, da der Alte Hosenknopf seinen Knaben Zeitungslektüre mit der Begründung untersagte, daß alle Berichte sündig seien. Späterhin war Alec der Meinung, daß er damit wahrscheinlich recht hatte.
An einem Sommertag im Jahre 1933 rief der Alte Hosenknopf Alec in sein Arbeitszimmer.
«Äh, Trevose ...» Er lachte kurz. «Trevose, ich habe eine Nachricht für dich.»
Er lachte wieder. Alec kam zu dem Schluß, daß es zumindest keine Stockschläge sein konnten.
«Trevose - haha! Ich habe eine Nachricht von sehr ernster Natur. Schlechte Nachricht sogar. Hahaha! Hm, hm? Trevose, dein Vater ist gestorben. Hahaha, hahaha!»
27
Graham war bestürzt über den Tod seines Bruders, wenn er ihn auch halb erwartet hatte. Die beiden Männer hatten - wenn man von Edith absah - nie gemeinsame Interessen gehabt, aber der tote Robin erteilte ebenso eine moralische Lektion wie der lebende. Graham erkannte, daß die Zeit nicht mehr Sand unter jugendlich fliegenden Füßen bedeutete, sondern vielmehr gefährliches Schießpulver, mit dem man sich seinen Weg sprengen mußte und das einem jeden Augenblick ins Gesicht explodieren konnte. Er erhielt die Nachricht telegraphisch in einem Landhaus am Meer, in Swan-age in Dorset, das er als Ersatz für die Wohnung in Marylebone gekauft hatte und das ihm die Ausrede gab, zum Wochenende wegzukommen und zu malen.
Er war dort mit einem Mädchen namens Jeannine, die sein erstes Abenteuer seit Marias Selbstmordversuch verkörperte. Die Scham, oder jedenfalls die Angst, die er dabei ausgestanden hatte, hatten ihn zu drei Jahren Keuschheit verdammt. Seine Beziehung zu Jeannine war wundervoll sachlich. Er sah sie die Woche über nie und gab ihr jeden Montagmorgen die Mittel, um «sich etwas Schönes zu kaufen». Dieses Arrangement erschien ihr überaus vornehm, da die Transaktion per Scheck und nicht in barer Kasse abgewickelt wurde. Und nun, als er mit dem deprimierenden Telegramm in der Tasche nach London zurückfuhr, sagte sich Graham, daß Edith als attraktive Witwe von dreiunddreißig Jahren heimkommen würde. Sie war schon seine Verlobte, seine Geliebte und seine Schwägerin gewesen, und diese neue Beziehung erfüllte ihn mit einigem Unbehagen.
Sie erschien Anfang 1934 mit dem jungen Alec aus Elmstead Woods. Ihre Sonnenbräune über ihrem schwarzen Kleid wirkte im Londoner Wetter grotesk. Graham verdiente und verbrauchte damals eine ganze Menge Geld. Er hatte einen neuen Bentley und war aus den belaubten Alleen von Primrose Hill in ein Haus in der eleganten Queen Street in Mayfair umgezogen. Er hatte eine Köchin, zwei Dienstmädchen, eine Wirtschafterin und eine betont häßliche Gouvernante für Desmond, der so groß geworden war wie er selbst und in einem Jahr in eine altehrwürdige Privatschule von ungeheurer Kostspieligkeit und unverständlichen Traditionen gehen sollte.
«Ja, es war so sehr plötzlich», sagte Edith. Sie tranken in Grahams Salon im ersten Stock Tee, Alec in seinem besten grauen Flanellanzug und in auf Hochglanz polierten schwarzen Stiefeln, die er lässig gegen die teuren Möbel kickte. «Er hatte schon lange diese Kopfschmerzen, aber ich glaube, er verriet nie, wie arg sie waren, nicht direkt. Dann hatte er eines Abends den Schlaganfall. Und aus war es.»
Sie faltete die Hände im Schoß. Sie trug den gleichen Ausdruck wie damals neben dem Feuer an jenem stürmischen Nachmittag in Hampstead.
«Ich hätte ihn nicht wieder in den Osten gehen lassen dürfen», warf Graham sich vor.
«Es war nicht deine Sache, ihm das zu sagen, Graham. Außerdem hattest du damals selbst genug Sorgen, nicht wahr? Maria und so. Ich hätte mich wahrscheinlich dagegenstemmen müssen. Aber er wollte zurück. Er war nur draußen im Osten glücklich. Auf irgendeine merkwürdige Art freute ihn der Gedanke, daß er auch seine Gesundheit aufgab, so wie er alles andere aufgegeben hatte.»
Graham zuckte
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