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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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seiner angeblichen Verbrennung in den Wäldern bei Beauvais hörte. Die Daily Press blies weiterhin diskret in die Segel seiner Karriere und beschleunigte damit seinen Kurs. Er war höchst erstaunt über die Wirkung von Miss Constantines Geschichte in ihren Seiten. Patienten mit Konstruktionsfehlern aller Art, die nie von ihm oder von der plastischen Chirurgie überhaupt gehört hatten, belagerten seine Tür in der Queen Anne Street. Sein Einfall, sich an denen, die ihn verhöhnten, mit der furchtbaren Waffe ihres eigenen Neids zu rächen, wurde Wirklichkeit. Miss Constantine war die Angel an dem Tor, das sich plötzlich zum Reichtum seiner Karriere auftat.
    Nach einer Woche verließ Maria das Sloane Hospital. Das Mädchen, das Graham in Blackfriars operiert hatte, starb am selben Tag an einer Streptokokken-Blutvergiftung. Ihr Unglück gehörte zu den bittersten, die dem Menschen widerfahren - sie fiel einer Todeskrankheit anheim, während deren Giftzähne schon von einem Mann in weißem Mantel gezogen wurden, der, unbekannt in einem fremden Land, geschäftig mit seinen Proberöhrchen hantierte. Es vergingen noch fünf Jahre, bis die bakteriziden Eigenschaften eines roten Farbstoffs namens Prontosil in einer deutschen medizinischen Zeitschrift beschrieben wurden, die damit als eine Art Kompensation für das Zeitalter Hitlers das Zeitalter der Antibiotika inaugurierte.
    Nach all diesem Wirbel hatte Graham die Absicht, die Wohnung in der Marylebone High Street aufzugeben, entschied sich aber dann im letzten Moment dagegen. Die Miete war bescheiden, und man konnte nie wissen.

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    Alec Trevose erinnerte sich später daran, daß seine Schule an der Küste von Kent architektonisch wie die Ozeanschiffe dieser Zeit angelegt war, die im Wettstreit um das einträgliche Blaue Band zuversichtlich über den Atlantik dampften. Sie war streng in drei Klassen eingeteilt. Der Direktor mit seiner hageren Frau und seinen zwei kleinen Töchtern fuhr erster Klasse in einem Herrenhaus aus kentischem Kieselsandstein, das auf der Titelseite des Prospektes so gut aussah und sadistische Düfte würziger Küche verströmte. Die Lehrer waren in der Touristenklasse, in einem Ziegelbau - den ehemaligen Dienerquartieren und Ställen -, wo es nach billigem Tabak und Leinöl oder Lederfett roch, je nachdem, ob gerade Kricket- oder Fußballsaison war. Die hundertfünfzig Knaben fuhren auf dem Zwischendeck. Hinter dem Herrenhaus breitete sich ein Kielwasser bemerkenswerter Gebäude aus, alle verschieden, ihr einziger gemeinsamer Nenner war die sparsame Bauweise. Die vorherrschenden Materialien waren Asbestplatten, Wellblechdächer, Betonböden, schlecht funktionierende und übelriechende sanitäre Anlagen, gebrochene Fenster und schwache elektrische Glühbirnen. Sie rochen das ganze Jahr über gleich - nach frisch gespitzten Bleistiften, verschütteter Tinte, verschwitzten Hemden und Urin.
    Die berühmte Luft aber war vorhanden. Sie wurde freizügig beigestellt, blies den ganzen Winter lang ungehindert von Skandinavien her über die Nordsee, kam durch die schlecht schließenden Türen, Fenster und Böden, daß die Knaben an den offenen und zerschundenen nackten Knien froren, drang durch ihre Bettdecken und legte eine Eisschicht über die Waschkrüge in den Schlafräumen. All das lenkte Alec von seinem Asthma ab, wenn es auch nicht dagegen half.
    Der Direktor, der auf Grund irgendeines vergessenen, aber zweifellos unterhaltsamen Unfalls mit seiner Hose «Der alte Hosenknopf» genannt wurde, war ein abgezehrter, düsterer Mensch in dunklen Kleidern und mit Vatermörder, ein frustrierter - oder, wie Alec später vermutete, aus dem Amt gejagter - Geistlicher, der einen aus Frömmigkeit und Verdauungsbeschwerden gemischten Ausdruck zur Schau trug. Er erschien hauptsächlich in der ¡ Schule, um die Gebete zu überwachen und den Schülern Religions-; lehre beizubringen, bedauernswerterweise allerdings keine Gottesfurcht. Er schien aber im Grunde ein jovialer Mann zu sein. Selbst als Alecs Eltern ihn dort abgaben, wurde die Feierlichkeit von kurzen, unerwarteten Lachsalven des Alten Hosenknopfs unterbrochen. Es klang, als riebe man Muskatnüsse auf einem Reibeisen.
    «Er ist übrigens nervlich sehr angespannt», erklärte Edith, nachdem Robin die bronchiale Krankengeschichte geliefert hatte.
    Alec überlegte wieder einmal, was «angespannt» eigentlich bedeutete. Er stellte sich vor, er sei eine Holzmarionette von der Art, die man im Weihnachtsstrumpf

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