Der Schoepfer
hatten. Ihre Hände waren ebenfalls feucht, und die Pistole war von der hohen Luftfeuchtigkeit so stark beschlagen, dass sie ihr aus den Fingern zu gleiten drohte.
Wenn sie hinfiel oder auch bloß ausrutschte, konnte es sein, dass Chang bereits auf das Geräusch wartete. Wenn er es riskierte, im Nebel blindlings eine Salve von Schüssen abzufeuern, konnte das Glück ebenso gut auf seiner Seite wie auf ihrer Seite sein. Von allen Kugeln dieses Sperrfeuers konnte eine einzige Scout zu einer mutterlosen Halbwaise machen.
Carson bewegte sich vorsichtig voran, erreichte das untere Ende des Landungsstegs und trat auf die Gangway des Boots. Die Motorjacht tauchte aus dem Nebel auf, als würde sie sich materialisieren, als sei sie ein Geisterschiff, das in der Bucht herumspukte.
Das Doppeldeckboot hatte ein geschlossenes Ruderhaus über den Kabinen auf dem Hauptdeck. Keine Motorengeräusche waren zu vernehmen, keine Begrenzungsleuchten waren zu sehen, und keine Kabinenlichter schimmerten. Carson war näher am Bug, und der Steven verschwand im Nebel, doch aufgrund der Proportionen dessen, was sie sehen konnte, musste das Boot eine Länge von etwa sechzig Fuß haben, groß genug, um ein Küstenkreuzer zu sein, der problemlos die Bucht gegen das offene Meer eintauschen konnte.
Die Jacht war nicht an der Mole vertäut. Als Carson sich in Richtung Steven bewegte, kam es ihr so vor, als triebe das Boot frei auf dem Wasser. Chang hatte offenbar die Leinen gelöst, bevor er an Bord gegangen war, und jetzt musste er zu dem Ruderhaus hinaufsteigen, vielleicht auf einer Leiter backbords.
Das Decktor in der Reling auf der Steuerbordseite stand offen. Höchstwahrscheinlich war er davor zurückgeschreckt, es hinter sich zu schließen und dabei ein weiteres Geräusch von Metall, das auf Metall trifft, zu erzeugen, da es seinen Aufenthaltsort in den dichten Nebelschwaden verraten hätte.
In dem Moment, als sie an Bord ging, war Carson ganz besonders ungeschützt, denn sie hielt die Pistole nur mit einer Hand, hatte die linke Hand auf dem kalten Edelstahl der Reling liegen, und ihr Körper war in Bewegung und nicht im Gleichgewicht. Sie schwang sich jedoch lautlos und ohne Zwischenfälle an Bord.
Das schmale Steuerborddeck führte an einigen Bullaugen vorbei nach vorn, aber nur bis zu einer Tür. Dem erhöhten Vorderdeck fehlten die Dollborde.
Carson bewegte sich leise nach hinten auf das geräumige Achterdeck.
Sogar in dem wabernden Nebel konnte sie zwei Türen im Heckschott erkennen. Sie nahm an, eine müsste zu einem Aufenthaltsraum und den Mannschaftsquartieren führen, während hinter der zweiten wahrscheinlich ein Niedergang zur Kombüse und den Luxuskabinen führte.
Chang war von hier aus gewiss nicht nach unten oder nach vorn gegangen. Er hätte sich schleunigst ans Ruder begeben und musste bereits dort oben sein, am Steuerstand.
Zwischen den Türen im Heckschott führte eine steile Treppe zu dem offenen Deck hinter dem Ruderhaus hinauf. Die Kante jeder Stufe war mit Schwachstrom-Leuchtdioden markiert, die wahrscheinlich bei Einbruch der Dunkelheit durch einen Lichtsensor aktiviert wurden.
Vom unteren Ende der Treppe aus konnte sie über sich nichts anderes sehen als dichten Nebel, der langsam wogte.
Da sie damit rechnete, jede Sekunde zu hören, wie die Motoren angelassen wurden, beschloss Carson, schleunigst die Treppe hinaufzusteigen, ohne sich am Geländer vorzutasten, damit sie die Waffe mit beiden Händen halten konnte. Um im Gleichgewicht zu bleiben, beugte sie den Oberkörper vor.
Ehe sie einen Fuß auf die erste Stufe setzen konnte, spürte sie die Mündung einer Waffe in ihrem Nacken, und eine obszöne Beschimpfung rutschte ihr zwischen den zusammengebissenen Zähnen heraus.
8.
Nummy machte es nichts aus, im Gefängnis zu sein. Er fand es gemütlich und fühlte sich dort in Sicherheit. Vier Wände, Decke, Boden. Im Gefängnis war nichts zu groß.
Er mochte auch den Wald. Hinter seinem kleinen Häuschen reichte der Wald fast bis an den Garten. Manchmal setzte er sich auf die Veranda und beobachtete, wie der Wald auf seinen Garten zukam, Vögel, die von einem Baum zum nächsten flogen, und ab und zu ein Reh, das sich auf den Rasen vorwagte, um Gras zu fressen. Nummy fand es schön, den Vögeln und dem Rotwild zuzusehen.
Aber er fühlte sich im Wald nicht so gut wie im Gefängnis. Ein paarmal hatte er versucht, in den Wald zu gehen. Der Wald überforderte ihn. Zu viele Bäume, aufrecht stehende Bäume und
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