Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
Vom Netzwerk:
Vater. Ich habe ihn angerufen, wie du mir gesagt hast, und er wollte sie unbedingt sofort abholen.«
    Lóa wurde innerlich ganz kalt, ohne genau zu wissen, warum ihr das so zusetzte. Ína war bei ihrem Vater am besten aufgehoben, bis Margrét gefunden war. Die Kleine reagierte auf alles so empfindlich.
    »Warum hast du ihm nicht schon vorgestern Bescheid gesagt? «, fuhr ihre Mutter fort. »Du darfst nicht immer nur das
Schlechteste von ihm denken. Ich habe ihm versprochen, dass du ihn anrufst, wenn du die Zeit und die Ruhe hast, und damit war er schließlich einverstanden. Meld dich bei ihm, Lóa. Ihr müsst euch gegenseitig unterstützen.«
    »Ich weiß. Natürlich. Ich melde mich nachher bei ihm.«
    »Gut zu hören, Liebes«, sagte ihre Mutter, und in der anschließenden Stille nahm Lóa eine merkwürdige Nervosität wahr.
    »Ich wollte dich schon lange mal was fragen … wie geht es dir eigentlich finanziell?«
    »Mach dir keine Sorgen, Mama. Ich kann meinen Dispo ausschöpfen, bis ich wieder anfange zu arbeiten.«
    »Behältst du den Job denn auch sicher?«, fragte ihre Mutter mit unverhohlener Furcht. Offenbar fiel es ihr schwer zu glauben, dass Lóas Chefs sich so ehrenhaft verhielten und Verständnis für ihre Situation aufbrachten.
    »Ich weiß nicht, warum du dir gerade jetzt Gedanken darüber machst, ja, ich behalte meinen Job.«
    »Kann Hjálmar dir bis dahin nicht unter die Arme greifen? Er ist immerhin ihr Vater.«
    »Indem er mir Geld gibt? Es war meine Entscheidung, mich beurlauben zu lassen. Er hat eine große Familie und verdient nicht viel mehr als ich. Sei doch um Gottes willen nicht so altmodisch, Mama, was spielt das denn verdammt noch mal gerade jetzt für eine Rolle?«
    Lóa wusste, dass es sich um eine Schutztaktik ihrer Mutter handelte: allerlei Details zur Sprache zu bringen, um die echte Gefahr, die drohte, zu verhüllen. Aber diesmal hatte Lóa keine Geduld für solche Kunststückchen.
    »Ich möchte nur nicht, dass du dir darüber auch noch Sorgen machen musst«, sagte ihre Mutter. »Sie sind nun mal zu zweit, und du bist alleine …«

    Lóas Nerven begannen, rot zu glühen. Manchmal hasste sie ihre Mutter mehr als alles Böse auf der Welt. »Ich habe genug Geld«, sagte sie, »hör endlich auf, neue Probleme zu erfinden, wenn es schon genug andere gibt.«
    Nach einer kurzen Pause entgegnete ihre Mutter: »Hat sich denn bei euch alles geklärt, bei dir und deinem Freund, wie heißt er noch mal?«
    »Sveinn«, antwortete Lóa. »Es gab eigentlich nichts zu klären. Ich rufe dich später oder morgen noch mal an«, fügte sie hinzu, bevor ihre Mutter Kraft schöpfen konnte, um nach der Puppe zu fragen.
    Lóa zwang sich, die Nummer ihres Exmannes zu wählen, obwohl er der letzte Mensch auf der Welt war, mit dem sie in diesem Moment reden wollte. Aus dem Hintergrund hörte sie ohrenbetäubenden Lärm, und er war außer Atem, als sei er gerannt. »Was ist passiert?«, fragte er. »Warum hast du mir nicht direkt Bescheid gesagt? Was hast du dir dabei gedacht, Mensch?«
    »Es ist nichts passiert«, antwortete sie. »Sie ist einfach verschwunden. Ich weiß nicht, ob es geplant war oder nicht. Wo bist du eigentlich?«
    »In der Notaufnahme. Ína hat ein Loch im Kopf, das genäht werden musste. Sie war gerade erst zur Tür rein, hat ein viel zu großes Nachthemd über ihre Klamotten gezogen, ist durchs Haus gerannt, über den Saum gestolpert und mit dem Kopf gegen die Heizung geknallt. Wo hat sie eigentlich diesen Fummel her? Oder trägst du jetzt so was?«
    »Nein«, sagte Lóa. »Wie geht es ihr? Soll ich mit ihr reden?«
    »Sie hat vom Arzt ein Trostpflaster bekommen – ein dunkelbraunes Pferdchen in vier Teilen zum Zusammenbauen. Mach dir keine Sorgen um sie. Und Margrét hat sich seit Montag
nicht mehr gemeldet? Hast du schon mit ihren Freundinnen gesprochen?«
    »Was glaubst du denn?«
    »Ist ja schon okay«, sagte er. »Ich setze mich selbst mit der Polizei und der Schule in Verbindung, und du sagst mir sofort Bescheid, wenn was passiert, ja?«
    »Ja, natürlich, und entschuldige, dass ich dich nicht früher angerufen habe. Ich habe einfach gehofft, sie würde am selben Abend oder in der Nacht nach Hause kommen. Ich habe gehofft, sie würde endlich anfangen, sich wie eine normale Jugendliche zu benehmen. Außerdem habe ich mich geschämt«, sagte Lóa, und ihre Stimme brach, wobei sie die Tränen zum Glück zurückhalten konnte. »Ich schäme mich dafür, dass ich sie aus den Augen

Weitere Kostenlose Bücher