Der schottische Seelengefährte (German Edition)
fluchend versuchte sie, das dicke Ende eines ledernen Schnürsenkels durch ein viel zu kleines Loch zu ziehen. Welcher Idiot hatte ihr nur die Schuhe und dabei den Schnürsenkel mit ausgezogen?
„Ich weiß nicht, denn ich habe ihn erst einmal gesehen, da war ich erst zehn Jahre alt. So genau kann ich mich nicht mehr an ihn erinnern“ unterbrach Elizabeth ihre Gedanken.
Verdutzt hielt Mary in ihren Bewegungen inne. Wollte Elizabeth sie auf den Arm nehmen? Ach ja, das Mittelalterspiel! Irritiert werkelte sie an den verflixten Lederschnüren weiter.
„Findest du nicht, dass du noch viel zu jung zum heiraten bist? Wie alt bist du eigentlich?“ Wollen doch mal sehen, wie weit Elizabeth gehen würde. Ah, endlich, ein Schuh war geschafft.
„Du hast ja noch jede Menge Zeit, bevor du dich endgültig entscheiden musst. Vielleicht lernst du Adam in der Zwischenzeit ja noch besser kennen oder jemand anderen, den du richtig magst.“
Elizabeth schaute sie entsetzt an. „Aber das geht doch nicht! Mein Bruder hat es so mit den McGregors vereinbart und ich würde mich niemals dem Befehl meines Bruders widersetzen. Und mit meinen 16 Jahren bin ich genau im richtigen Alter.“
Sehr authentisch, gut gelernt. Mary fluchte leise, weil der zweite Schuh sich genauso bockig anstellte, wie der erste.
„Auch wenn das bedeuten würde, für den Rest deines Lebens unglücklich zu sein?“ Elizabeth zuckte nur mit ihren zierlichen Schultern. „Ich werde beten und versuchen, Adam eine gute Ehefrau zu sein. Den Mut Eurer Mutter würde ich nie aufbringen. Aber vielleicht gelingt es mir ja, eine harmonische Ehe zu führen und ein paar gesunde Kinder zu bekommen. Das alleine würde mich schon sehr glücklich machen.“
So langsam bekam Mary erneut Kopfschmerzen von diesem anstrengenden Gespräch und war froh, als sie auch den zweiten Schuh endlich festgeschnürt hatte. Man kam sich ja vor wie vor hunderten von Jahren, als ob der Fortschritt hier spurlos vorüber gegangen wäre. Außerdem schrie ihr Körper nach der längst überfälligen Dosis Zucker und entsprechend gereizt reagierte sie nun.
„Ich kann nur für dich hoffen, dass dies alles zum Spiel gehört und du in Wirklichkeit ein selbstbewusstes, eigenständig denkendes Mädchen bist, das sich nicht von irgendeinem Machogehabe eines mittelalterlichen Neandertalers in irgendwelche Zwänge pressen lässt. Dafür ist das Leben wahrlich zu kurz.“
Elizabeth starrte Mary an, als ob ihr plötzlich Hörner wachsen würden. Während ihrer Ausführungen war Mary im Zimmer auf und ab gelaufen und hatte sich vergewisserte, dass sie nichts mehr liegengelassen hatte. Gerade drehte sie sich um, um sich von Elizabeth zu verabschieden, als sie abrupt stehen blieb.
In der Tür stand der Mann aus ihrem Traum, die Arme verschränkt am Türrahmen gelehnt und schaute sie mit ausdruckslosem Blick unverwandt an. Seine dunklen scharfsinnigen Augen schweiften nicht einen Moment von ihr ab. Mit klarem Kopf sah er noch besser aus als er ihr schon im schläfrigen Zustand erschienen war. Obwohl Mary vom Äußeren viel von ihrer Mutter geerbt hatte, kam sie der Größe nach eindeutig auf ihren Vater und war keineswegs klein. Doch dieser Mann überragt sie trotzdem noch um gut einen halben Kopf. Seine breiten Schultern und Arme waren muskelbepackt, was selbst das weiße Hemd, das er darüber trug, nicht verbergen konnte. Alles in allem schien er sehr durchtrainiert zu sein. Seine Haut hatte einen gesunden, leicht gebräunten Teint, als ob er viel Zeit im Freien verbringen würde. Ein Blick nach unten bestätigte ihre Vermutung, denn er trug einen Kilt in einem lebhaft rot-grün gemusterten Tartan, den ein feiner weißer und hellblauer Streifen durchzog.
Nicht noch einer, stöhnte Mary innerlich. Ihr Bedarf an altmodischen Ansichten und Rollenspielen war mehr als gedeckt! Obwohlseine Erscheinung definitiv einen zweiten Blick wert war, entschied sie, während sie ihn weiterhin einfach nur anstarren konnte. Peinlich berührt dachte sie an ihre erste Begegnung, was ihr eine zarte Röte in die Wangen trieb. Sein schulterlanges schwarzes Haar war noch nass und glänzte trotz des matten Lichtes wie die Schwingen eines Raben in der Sonne.
„Elizabeth, lass uns allein.“ Seine klare tiefe Stimme ließ Mary Schauer über den Rücken laufen während sie ihn immer noch nicht den Blick von ihm reißen konnte. Sobald Elizabeth die Tür von außen geschlossen hatte, überkam Mary ein Anflug von Panik. Aha, der
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